1697 - Aibons Echsenfalle
auch geschah, aufeinander zu, sodass sie mit voller Wucht zusammenprallten, zur Seite geschleudert wurden und zu Boden fielen.
Um mich herum toste und blies es. Der Wind zerrte an mir. Ich hörte das Brausen in meinen Ohren, das für einen Sturm völlig normal war. Nicht normal war etwas anderes, denn durch das Brausen vernahm ich schob eine Melodie, die aus einer Flöte stammte.
Erst glaubte ich an eine Täuschung. Aber die Melodie blieb bestehen. Sie fuhr die Tonleiter hoch und wieder herunter, sie war fremd für mich, doch zugleich wunderbar, denn jetzt wusste ich plötzlich, was los war.
Er war gekommen.
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber der Rote Ryan hatte uns nicht im Stich gelassen. Er war da, aber er war nicht sichtbar, was mich im ersten Moment verwunderte. Dann aber fiel mir etwas ein, was ich längst wieder vergessen hatte.
Der Rote Ryan hatte auch einen anderen Namen. Er wurde Ariel genannt. Ariel, der Luftgeist. Das war der Rote Ryan ebenfalls, der ansonsten als Mensch erschien und sich seiner Welt wunderbar angepasst hatte. Sein buntes Kostüm war ebenso sein Markenzeichen wie die roten Haare und seine Flöte, weshalb er mich immer an den Papageno aus Mozarts Zauberflöte erinnerte.
Und jetzt war er in der Gestalt hier, die ihn für die andere Seite unangreifbar machte. Es kam mir wie ein Wunder vor, aber das nahm ich gern hin.
Der Sturm wollte nicht aufhören. Der Wind zerrte jetzt auch an mir. Er rollte mich herum, ich konnte nichts dagegen tun und sah, dass es auch Suko nicht anders erging. Er hatte sich an Guywano festgekrallt und würde ihn so leicht nicht mehr loslassen.
Von den Männern in Grau war nichts mehr zu sehen. Sie waren im wahrsten Sinne des Wortes weggefegt worden. Nur blies der Orkan nicht mehr über die Wasserfläche hinweg. Sie ließ er außen vor. Er konzentrierte sich einzig und allein auf uns.
Und ich hörte weiterhin das Flötenspiel. Es machte mir Hoffnung, und ich wartete darauf, dass der Rote Ryan irgendwann erscheinen würde.
Was kam oder blieb, war der Sturm. Diesmal mit einer doppelten Gewalt, der ich nichts entgegenzusetzen hatte. Mein Gewicht reichte einfach nicht aus, um mich am Boden zu halten. Diese Naturgewalt war einfach stärker und packte mich von allen Seiten.
Ich flog in die Höhe. Unwillkürlich schrie ich und drehte meinen Kopf dabei in Sukos Richtung.
Auch er lag nicht mehr am Boden und war von dieser Kraft erwischt worden. Nicht nur er allein, denn er hatte Guywano nicht losgelassen und krallte sich auch jetzt noch an ihm fest. So waren beide zusammen in die Luft geworfen worden. Ich nahm sie ein letztes Mal wahr, als sich beide drehten.
Dann trieb es mich weg, und als hätte man mich in dicken Teer getaucht, wurde es schwarz vor meinen Augen, und ich wusste nichts mehr …
***
Aber ich lebte noch. Ich wurde wieder wach, ich öffnete die Augen und merkte, dass es mir nicht schlecht ging, obwohl ich am Boden lag. Ich war also weich gelandet. Man hatte mich nicht einfach fallen gelassen.
Unter mir spürte ich eine weiche, samtige Unterlage, und wenn ich einatmete, drang Blütenduft in meine Nase. Über meinen Körper streichelte ein sanfter Wind, und auch die Erinnerung war sofort wieder da.
Damit wollte ich mich allerdings nicht aufhalten, denn zunächst mal musste ich herausfinden, wo ich mich befand. Dass ich auf einem moosigen Untergrund lag, war klar. Ich dachte sofort daran, dass es so etwas in Guywanos Welt nicht gab.
Hier herrschte eine Frische, die einen Menschen nur glücklich machen konnte.
Ich blickte mich um. Es gab einen Himmel, aber den sah ich nicht als Ganzes, sondern nur in Ausschnitten, weil der größte Teil meines Blickfelds von einem dichten Blattwerk eingenommen wurde.
Das konnte nur bedeuten, dass ich in einem Wald lag! Gab es in Aibon Wälder?
Ja, die gab es. Nur nicht dort, wo Guywano regierte. Da war die Welt tot und leer. Der andere Teil des Druiden-Paradieses, der beinhaltete genau das Gegenteil dessen. Da war die Welt in Ordnung, da war sie einfach wunderbar und märchenhaft.
Ja, die Märchen. Die alten Sagen und Legenden. Man sagte sogar dem großen Dichter Shakespeare nach, dass er Einblicke in dieses wundersame Land gehabt hatte und nur deshalb seine märchenhaften Komödien und Dramen schreiben konnte.
Und jetzt lag ich hier.
Ich war gerettet worden.
Das Flötenspiel klang mir noch in den Ohren nach. Es war tatsächlich der Rote Ryan gewesen, der uns in seiner zweiten Gestalt als
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