17 - Das Konzil der Verdammten
einer Eule. Hoch oben gab es zwei offene Fenster, der Vogel musste daran vorbeigeflogen sein. Behutsam schritt er weiter. Nein, Schreie von Seelen in grässlicher Qual gab es nicht. Eadulf kletterte sogar hinten auf die Marmorsitze, presste das Ohr an die Wand und horchte angestrengt. Nichts drang durch das Mauerwerk, weder dämonische Schreie noch klägliches Wimmern. Geradezu enttäuscht seufzte er auf und stieg wieder hinunter. Dann betrachtete er die Fenster und die Tür und versuchte sich klarzumachen, in welchem Winkel der Abteigebäude sich der Raum befand. Sein Blick glitt wieder über die Wand mit den Sitzen, an der er eben gelauscht hatte, und ihm ging auf, das musste die Trennmauer sein zwischen dem Bereich der Klosterbrüder und dem domus feminarum , dem Frauenhaus. Ein letztes Mal leuchtete er mit der Kerze alles ab, ging zur Tür und öffnete sie.
Vor ihm stand eine Riesengestalt. »Bruder Eadulf!«
Er trat einen Schritt zurück und konnte mit Müh und Not sein Erstaunen verbergen.
»Was machst du hier?«, fragte jemand.
Die Gestalt hielt eine Laterne hoch, und Eadulf erkannte den Verwalter der Abtei, Bruder Chilperic.
Rasch hatte er sich gefasst. »Eine seltsame Frage, Bruder«, erwiderte er harmlos. »Was tut man wohl in einem necessarium ?«
»Zu dieser Stunde? Im hospitia ist doch eine latrina .«
»Nicht jedem ist es gegeben, die Regungen seines Körpers zu beherrschen, schon gar nicht nach dem Genuss von Getränken … «. Eadulf zuckte die Achseln. »Ich wollte Schwester Fidelma nicht stören. Deshalb schlich ich hinaus, ohne sie zu wecken, und wollte es den Brüdern gleichtun, da ich gesehen hatte, wohin sie gingen. Nur hatte ich mich verschätzt, der Weg hier herunter war länger, als ich dachte.« Er grinste. »Euer Wein ist von harntreibender Wirkung.«
Bruder Chilperic schien wenig überzeugt.
Doch Eadulf nutzte rasch die Gunst der Stunde und fragte: »Was ist eigentlich hinter der Mauer, Bruder Chilperic? Als ich da saß, hatte ich den Eindruck, jemand weinte und greinte.«
Der Verwalter blickte ungläubig drein. »Nichts weiter, lediglich die Arbeitsräume des domus feminarum . Doch um diese Zeit ist dort niemand, vielleicht war es eine Katze, die du gehört hast.«
»Ah ja. Das wird es gewesen sein. Aber ganz schön frisch hier. Lass mich durch, ich will ins Bett und weiterschlafen.«
Der junge Mann zögerte, trat dann aber beiseite. »Möge nichts deinen Schlaf weiter stören, Bruder.«
Eadulf war sich nicht sicher, ob das sarkastisch gemeint war. Steif erwiderte er: »Und möge auch dir heute Nacht noch ein wenig Ruhe beschieden sein.« Er eilte zurück ins Gästequartier, wo ihn Fidelma schon ungeduldig erwartete.
»Hast du etwas entdecken können?«
»Nein, aber ich wurde entdeckt«, berichtete er, warf seine Kutte ab und ließ sich aufs Bett fallen. Zuerst erzählte er ihr von der Begegnung mit Bruder Chilperic, dann beschrieb er ihr die Räumlichkeit, die er inspiziert hatte.
Sie überlegte eine Weile, nicht jedoch, weil sie der unerwartet aufgetauchte Verwalter bekümmerte. »Wenn Bruder Gillucán etwas Beunruhigendes gehört hat, als er dort saß, könnte das von dem Wasserlauf gekommen sein, mit dem der Unrat vom necessarium fortgespült und irgendwohin befördert wird.«
Eadulf hatte bereits die Augen geschlossen. »Nehme ich auch an«, murmelte er schon halb im Schlaf.
»Es ist möglich, dass Geräusche wie ein Echo in dem Abwasserkanal klingen«, redete Fidelma weiter.
»Schon möglich«, antwortete er und gähnte.
»Und die Mauer da … Du sagst, die grenzt an das Frauenhaus der Abtei?«
Ein leises Schnarchen war die Antwort. Eadulf war bereits eingeschlafen. Ungehalten runzelte sie die Stirn, blickte dann auf den Schläfer, musste lächeln, beugte sich über ihn und blies die Kerze aus.
Eadulf hatte das Gefühl, er hätte kaum geschlafen, als die Sonnenstrahlen, die durchs Fenster drangen, ihm übers Gesicht glitten und er blinzeln musste. Fidelma hatte sich bereits gewaschen, saß am Tisch und aß Obst als ihr erstes Frühmahl. »Steh schon auf und mach dich fertig. Ich habe dich sogar
die Morgenandacht verschlafen lassen. Wir haben heute viel zu tun«, rief sie ihm zu, da sie sah, dass er wach war.
Er rollte sich aus dem Bett, fühlte sich aber immer noch erschöpft. »Können wir mit der Arbeit nicht später anfangen?«, wehrte er sich.
»Können wir nicht.«
Bald danach gingen sie die Treppe zur Vorhalle hinunter. Doch kaum hatten sie die ersten Schritte getan, da
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