17 - Geheimagent Lennet wittert Verrat
Ratten, Schlangen, Bomarsunds, Chibanis und des elektrischen Stuhls! Und wo die Lore des gnädigen Herrn schon einmal vorgefahren ist, nehmen wir also die Lore! Wenig später hielt das Gefährt am Grund des Blindschachts, und Lennet stieg in den Förderkorb, der ihn nach oben brachte und dann automatisch wieder verschwand.
Eigentlich klar, wie das alles hier funktioniert, dachte Lennet.
Die Geräte sind alle mit Fotozellen ausgerüstet, so daß meine Anwesenheit durch sie zum Schaltpult übertragen wird. Dort sitzt mein Freund Chibani und spielt immer noch elektrische Eisenbahn, obwohl er über das Alter hinaus sein dürfte. Aber irgendwie ist mir dieses Gefängnis ohne Wärter doch nicht so ganz geheuer. Außerdem fällt mir gerade ein, daß ich vergessen habe, um Essen und Trinken zu bitten. Oder ob Hungern zu meiner Spezialbehandlung gehört? Wird schon nicht so schlimm werden! In ein paar Stunden ist der FND da und macht dem Hokuspokus ein Ende.
Aber so lange brauchte Lennet nicht auf eine Mahlzeit zu warten. Kaum war eine halbe Stunde seit seiner Rückkehr vergangen, da hörte er wieder das Knirschen und Schaben der Rolle, auf die sich das Kabel des Förderkorbs wickelte. Selima Kebir stand in dem Aufzug. In der Hand trug sie ein silbernes Tablett, das sie zu Lennets Füßen abstellte. Auf dem Tablett war eine Reihe von Tellern angerichtet. Auch die Teller schienen aus echtem Silber zu sein. Auf einem lag Beluga-Kaviar, auf einem anderen befanden sich zwölf Austern und auf einem dritten eine exquisite Gänseleberpastete. In einem mit Eis gefüllten Sektkühler lag eine HalbliterFlasche eines ausgesuchten Champagners. Nichts fehlte, weder das Gedeck aus Porzellan noch knuspriges Weißbrot noch die damastene Serviette. In einer schmalen Kristallvase stand eine halb erblühte Rose. Ein Kärtchen lehnte daran. Darauf stand: Mit den besten Grüßen Oberst Chibani »Tja, Mademoiselle, selbst wenn ich beschlossen hätte, in den Hungerstreik zu treten, so würde mich diese freundliche Aufmerksamkeit alle guten Vorsätze vergessen lassen. Ich verstehe zwar sehr wohl die Ironie des Obersten, der mir offenbar zeigen möchte, daß er mich je nach Laune gut oder schlecht behandeln kann.
Nichtsdestotrotz: Haben Sie Lust, dies frugale Mahl mit mir zu teilen? Oh, ich sehe, wir haben nur einen einzigen Sektkelch.
Wenn es Sie nicht allzusehr stört, werde ich aus der Flasche trinken. Erlauben Sie?« Sein sarkastischer Ton zeigte dem jungen Mädchen, daß er ihren Verrat nicht vergessen hatte. Lennet ärgerte sich selbst, da er Selima trotz allem noch immer anziehend fand, daß sie ihm sogar ausgesprochen gut gefiel. Er wollte sie verletzen, demütigen, ihr zeigen, daß er trotz ihrer Haltung ihm gegenüber weder seine gute Laune noch sein Selbstbewußtsein verloren hatte.
Statt jeder Antwort brach Selima in Tränen aus. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht, sie schluchzte, bis sie keine Luft mehr bekam, und fiel dann vor ihm auf die Knie.
Lennet stand mit hängenden Armen da. Was sollte er auch zu ihr sagen, jetzt, wo sie weinte, nachdem sie ihn zuvor kaltlächelnd seinen schlimmsten Feinden ausgeliefert hatte? Nie zuvor war er in einer solchen Situation gewesen. Nachdem er Selima einige Minuten zugesehen hatte, zog er sich mehr schlecht als recht aus der Affäre, indem er zu ihr sagte: »Kommen Sie, wir müssen den Champagner jetzt trinken. Er schmeckt nicht mehr, wenn er allzu kalt wird.« Doch damit erreichte er gar nichts. Im Gegenteil: Selima begann wieder zu schluchzen, diesmal noch heftiger. Sie lag vor ihm auf dem Boden und preßte ihr Gesicht gegen ihre Knie.
Allmählich fragte sich Lennet, ob das noch gesund war.
»Jetzt hören Sie mir mal zu«, sagte er schließlich. »Sie haben mich verraten. Okay. Ich weiß sehr wohl, daß genau das Ihr Auftrag war, den Sie ordnungsgemäß ausgeführt haben. Sie dürfen sogar stolz auf sich sein, denn es ist Ihnen hervorragend gelungen! Wenn ich jedesmal heulen würde wie ein Schloßhund, wenn ich einen Auftrag ordnungsgemäß ausgeführt habe, dann würde mich der FND ziemlich bald vor die Tür setzen.« Sie weinte weiter. Doch Lennet konnte einige Satzfetzen verstehen.
»Ich wußte doch nicht... ich wollte nicht...« Aha, so eine ist das also, dachte er bei sich. Einerseits spielt sie den Leuten übel mit, andrerseits hat sie danach ein schlechtes Gewissen. Nicht gerade mein Fall. Ich nehme lieber die Austern schon mal in Angriff! Er schlürfte eine
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