17 - Geheimagent Lennet wittert Verrat
Gefängnis, als daß ich weiter für diese Kriminellen arbeite!« Lennet philosophierte selten beim Klettern. Er stieg von Balken zu Balken und gab Selima ab und an eine kleine Unterstützung. Bei sich dachte er: Eigentlich gefällt mir diese Kletterei. Schade ist nur, daß der liebe Bomarsund und sein Kumpel Chibani bestimmt da oben schon sitzen und sich die Hände reiben.
Endlich kam das Ende des Schachts in Sicht. Der Luftstrom wurde so stark, daß sie Schwierigkeiten hatten, dagegen anzuklettern. Aber sie schafften es.
Rechts von ihnen öffnete sich eine schmale Metallröhre, aus der der Luftzug mit voller Gewalt drang: dort war der Ventilator, der die gesamte Anlage mit Frischluft versorgte.
Direkt über ihren Köpfen war eine Falltür.
»Hoffentlich geht sie von innen auf!« murmelte Lennet vor sich hin. Aber er sorgte sich umsonst. Zwar war die Metalltür recht schwer, aber sie ließ sich ohne Widerstand hochheben. Mit einer letzten Anstrengung stemmte Lennet sich hoch, schob die Tür beiseite und fand sich in einem staubigen Raum wieder, den einige wenige Fensterchen erhellten. Der Motor, der den Ventilator in Gang hielt, arbeitete selbsttätig. Es war kein Mechaniker anwesend. Auch Bomarsund und Chibani waren nicht da. Lennet kletterte ganz aus dem Schacht hinaus.
»Geben Sie mir die Hand, Selima.« Er zog kräftig und half dem jungen Mädchen aus dem Loch.
Sie strauchelte und hielt sich an der Maschine fest.
»Lennet, ich bin ja so glücklich...« Der Geheimagent ging zur Tür. Sie war nicht abgeschlossen.
Vorsichtig öffnete er sie einen Spalt und spähte hinaus.
Wenige hundert Meter links von ihm entdeckte er den Förderturm und die Schutthalde, die neben den Dienstgebäuden standen. Das Gelände war recht eben, es gab keine Bäume, sondern nur ein wenig Heidekraut.
Rechts sah es genauso trostlos aus. Die öde Ebene ging dort noch etwa einen halben Kilometer weiter, dahinter waren kleine Büsche und am Horizont ein Wäldchen. Es regnete. Wo mag nur der Hinterhalt sein? überlegte Lennet.
Möglich war es überall. Vielleicht saßen Chibanis Leute auf dem Dach, oder sie versteckten sich im Wäldchen, möglicherweise sogar im Heidekraut. Doch es gab noch eine andere Lösung: Selima hatte die Wahrheit gesagt, und die Freiheit war tatsächlich zum Greifen nah...
Lennet atmete tief die feuchte Luft ein, aber er ging nicht hinaus. Nur ein kleiner Sprint bis zu den Büschen, und der ganze Zauber hatte ein Ende. Kein Schacht mehr, kein elektrischer Stuhl, keine Schlangen...
Aber würde Lennet seinem Hauptmann noch in die Augen sehen können? Sollte er tatsächlich zu ihm sagen: Chef, ich weiß zwar jetzt, wer der Feind ist, aber ich hatte nicht den Mut, Ihr Eingreifen abzuwarten und bin geflohen. Versuchen jetzt Sie, ihn zu erwischen? Nein, das konnte er nicht.
Aber andrerseits konnte er sich doch jetzt auch schlecht zu dem Mädchen umdrehen und sagen: Liebe Selima, ich habe nachgedacht, in dem Schacht geht es uns bestimmt besser. Wir gehen wieder rein! Wie sollte er ihr das erklären? Nein, dachte Lennet, bis jetzt habe ich immer angenommen, daß sie von Bomarsund geschickt war, um herauszubekommen, ob ich ein echter Gefangener bin.
Ich kann jetzt nicht mehr lange hin und her überlegen, sonst gehe ich doch noch raus, und das will ich nicht, das darf ich nicht wollen. Sollte unsere liebe Selima wirklich einmal ehrlich gewesen sein...? Er dachte noch eine Zeitlang nach, dann wußte er, was er zu tun hatte. Es ist zwar nicht sehr nett, aber im Moment fällt mir nichts Besseres ein.
Er drehte sich zu Selima um, die ihn mit leuchtenden Augen ansah. Sie hatte ihn befreit, sie hatte ihren guten Willen gezeigt! »Was ist das da für eine große Kiste in der Ecke hinter Ihnen?« fragte er sie.
Hinter dem Mädchen stand ein riesiger Kasten, in dem sicherlich Werkzeug aufbewahrt wurde.
Selima drehte sich um. »Oh, das ist eine Kiste für die Hacken und Schaufeln, die früher hier gebraucht wurden.
Was wollen Sie damit machen?« Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als Lennet ihr einen gezielten Handkantenschlag in den Nacken versetzte. Selima glitt zu Boden, aber Lennet fing sie auf. »Arme Kleine«, murmelte er. Er nahm sie in die Arme und legte sie in die Kiste, deren Deckel er nicht allzu fest schloß, damit sie genügend Luft bekam.
Dann hob er die Falltür und stieg zurück in den Schacht.
Eine unerwartete Wendung
Der Abstieg war alles andere als schön. Nachdem er frische
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