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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hätte. Halef reichte mir ihn zuletzt hin und meinte:
    „Schau auch du ihn an, Sihdi! Er paßt nicht zu den andern Gegenständen.“
    Der Griff war so schmutzig, daß man gar nicht erkennen konnte, woraus er bestand; fast schien es, als ob er absichtlich so beschmutzt worden sei. Aber die lippenartig gebogene stählerne Parierstange glänzte hell im Schein der brennenden Späne. Ich war Waffenkenner genug, sofort zu sehen, daß sie eine fein gravierte arabische Inschrift trug. Sie war sehr leicht zu lesen und lautete:
    ‚Ismi ess ssa'ika – ich bin der einschlagende Blitz.‘
    Das war mir genug, um zu vermuten, daß ich eine sehr wertvolle Waffe in der Hand hatte. Mit Hilfe des alten, an der Mauer hängenden Kaftans, in dessen Tasche der Hadschi die Schnecken gesteckt hatte, reinigte ich den Griff von dem ihm anhaftenden Schmutz und sah nun, daß er aus Elfenbein bestand, in welches die erste Sure des Koran schwarz eingebeizt war. Der Knauf war mit zwei goldenen Halbmonden geziert, welche sich kreuzten. Zwischen den so gebildeten vier Halbsicheln standen arabische Buchstaben, nämlich im ersten Zwischenraum ein Dschim, im zweiten ein Sad, im dritten wieder ein Dschim, und im vierten sah ich ein Cha, ein Mim und ein Dal. Diese Buchstaben kannte ich ganz genau; sie bedeuteten den Namen des Waffenschmiedes, den Ort und das Jahr der Anfertigung. Die Buchstaben der drei ersten Zwischenräume waren zu ergänzen und zu lesen:
    ‚Ibn Dschordschani (Name)
ess ssaikal (Waffenschmied)
esch schäm' (in Damaskus).‘
    Der vierte Zwischenraum enthielt die Jahreszahl. Ein Cha bedeutet 600, ein Mim 40 und ein Dal 4, also war der Säbel im Jahre 644 der Hedschra, welche in das Jahr 622 nach Christi Geburt fiel, geschmiedet worden.
    Nun zog ich die Klinge aus der Scheide. Sie war mit einer schmutzigen Mischung aus Öl und pulverisierter Holzkohle eingeschmiert. Als ich dies abgewischt hatte, machte sie ihrem Namen Ehre; sie glänzte wie der Blitz.
    Bei näherer Betrachtung war gar nicht zu verkennen, daß es eine echte Klinge sei, aus indischem Stahl aus Golkonda geschmiedet und dann in der Hitze eines Kameldüngerfeuers ausgeglüht. Sie zeigte auf der einen Seite die deutliche Inschrift ‚Dihr bahlak – nimm dich in acht!‘ und auf der andern Seite ‚Iskihni dem – gib mir Blut zu trinken!' Sie besaß eine solche Elastizität, daß ich sie beinahe um meinen Oberschenkel biegen konnte.
    „Nun, Halef“, fragte ich den Hadschi, „paßt diese Klinge wirklich nicht zu den andern Gegenständen?“
    „Wer hätte das gedacht!“ antwortete er. „Sie ist ganz gewiß echt.“
    „Natürlich. Sie besitzt einen viel größeren Wert als alles andere, was neben ihr die Grube enthält. Und sie widerlegt die irrige Meinung, daß solche echte Klingen nicht in Damaskus, sondern nur in Metsched, Herat, Kerman, Schiras, Ispahan und Khorassan gefertigt worden seien. Ich werde euch jetzt einmal zeigen, wie man einen solchen Stahl probiert.“
    Es lag ein kurzer Holzklotz da, welcher als Schemel gedient zu haben schien. Auf diesen legte ich einen harten, doppelt faustgroßen Stein, um ihn mit dem Säbel zu zerschneiden. Das Experiment gelang beim ersten Hieb, und die Schneide der Klinge zeigte nicht die geringste Scharte.
    „Alle Wetter, sie ist echt!“ rief der Lord. „Da haben wir einen kostbaren Fund gemacht. Ich kaufe Euch den Säbel ab. Wieviel wollt Ihr haben?“
    „Nichts.“
    „Wie? Nichts? Ihr werdet ihn mir doch nicht umsonst geben!“
    „Nein. Ich kann ihn weder verkaufen, noch verschenken, denn er gehört nicht uns.“
    „Aber Ihr kennt den Eigentümer nicht!“
    „So müssen wir suchen, ihn zu erfahren.“
    „Und wenn das unmöglich ist?“
    „So geben wir diese Sachen an die Behörden ab. Die Rüstung ist höchst wahrscheinlich gestohlen worden – ihr rechtmäßiger Eigentümer muß sie wieder erhalten, Sir. Ich hoffe nicht, daß Ihr anderer Meinung seid.“
    „Natürlich bin ich anderer Meinung, ganz anderer! Wollt Ihr monatelang hier bleiben, um das ganze Land nach demjenigen zu durchsuchen, welchem diese Rüstung gehört hat? Oder denkt Ihr etwa, wenn Ihr sie einem Beamten übergebt, derselbe werde sich Mühe geben, diesen Mann zu entdecken? Da irrt Ihr Euch gewaltig! Man kennt ja die hiesigen Verhältnisse. Dieser Beamte würde Euch wegen Eurer Gutmütigkeit heimlich auslachen und die Sachen für sich behalten.“
    „Das befürchte ich nicht. Wenn ich von der Behörde sprach, so meinte ich keineswegs einen

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