17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
der außerhalb des Ortes wohnt; der Wirt des andern, der gleich am Fluß bei der Brücke liegt, heißt Kolami.“
„Zu welchem würdest du uns raten?“
„Zu keinem. Ich überlasse euch selbst die Wahl.“
„Was für ein Mann ist dieser Perser?“
„Ein sehr angesehener. Man wohnt sehr gut und billig bei ihm. Kolami gibt sich aber auch Mühe, seine Gäste zufriedenzustellen, und ist noch billiger als Kara Nirwan.“
„Sind diese Wirte einander freundlich gesinnt?“
„Nein, sie sind Feinde.“
„Warum?“
„Nur aus persönlicher Abneigung. Es ist keine Rache dabei; sie haben einander nichts getan. Aber Kolami kann den Perser nicht leiden; er mißtraut ihm.“
„Warum?“
„Erlaßt mir die Antwort. Ihr seid fremd, und es kann euch also gleichgültig sein.“
„So werden wir bei Kolami einkehren.“
„Es wird ihm lieb sein, solche Gäste zu empfangen; aber ich rate euch nicht von Kara Nirwan ab, denn das tue ich nie; man könnte mich für neidisch und böse halten. Ich bin nämlich der Kolami.“
„Ah so! Nun, da versteht es sich ganz von selbst, daß wir in deinem Hause wohnen.“
„Ich danke dir. Wie lange werdet ihr in Rugova bleiben?“
„Das weiß ich noch nicht. Wir verfolgen einen Zweck, von welchem wir nicht wissen, ob und wann wir ihn erreichen werden.“
„Ist's ein Geschäft, ein Pferdeverkauf? Dann müßt ihr euch freilich an den Perser wenden, welcher Pferdehändler ist. Ich sehe, daß ihr drei ledige Tiere habt.“
„Ja, wir wollen zwei davon verkaufen; aber das ist nicht der eigentliche Grund unseres Kommens. Wir haben noch anderes vor. Du scheinst ein Mann zu sein, dem man Vertrauen schenken darf. Darum will ich dir mitteilen, daß wir beabsichtigen, Kara Nirwan zu verklagen.“
„Verklagen? O da nehmt ihr euch etwas vor, was nicht leicht zu erreichen ist. Die Leute, an welche ihr euch da wenden müßt, sind alle seine Freunde. Ist er dir Geld schuldig?“
„Nein, ich will ihn eines Verbrechens zeihen.“
Bei diesen Worten richtete er sich schnell im Sattel auf, hielt sein Pferd an und fragte:
„So hältst du ihn für einen Verbrecher?“
„Ja.“
„Was soll er begangen haben?“
„Einen Mord, ja viele Morde, und Räubereien dazu.“
Da rötete sich sein Gesicht; seine Augen leuchteten auf. Er legte mir die Hand an den Arm und fragte wie atemlos:
„Herr, sage, sage mir schnell, ob du vielleicht ein Muchbir (Geheimpolizist) des Großherrn bist?“
„Nein, der bin ich nicht. Ich bin aus einem fremden Land und stehe im Begriff, dorthin zurückzukehren. Vorher aber will ich einen Mann bestraft sehen, der uns in Verbindung mit seinen Anhängern wiederholt nach dem Leben getrachtet hat. Und dieser Mann ist eben der Perser.“
„Allah hakky! Höre ich recht? Ist's möglich! Fände ich endlich einmal einen Menschen, welcher ganz dieselbe Ansicht hat, wie ich?“
„So hältst auch du ihn für einen Bösewicht?“
„Ja, aber man darf es nicht sagen. Ich habe einmal nur ein Wörtchen geäußert; das hätte mir beinahe das Leben gekostet.“
„Welchen Grund hast du, diese Meinung über ihn zu hegen?“
„Er hat mich beraubt. Ich war in Persien, um Geld zu holen. Dort traf ich mit ihm zusammen, und er erfuhr von mir, daß ich einen gefüllten Beutel bei mir trug. Unterwegs wurde ich überfallen und mußte das Geld hergeben. Es waren vier Männer, welche ihre Gesichter verhüllt hatten. Derjenige, welcher das Wort führte, hatte andere Kleider angezogen; dennoch aber erkannte ich ihn an seiner Stimme, an den Spitzen des Bartes, welche unter der Verhüllung hervorblickten, und an den Pistolen, die er mir entgegenhielt. Es war der Perser. Aber was sollte ich tun? Zwei Bewohner meines Ortes sagten mir am andern Tag freiwillig, daß sie ihn zu einer bestimmten Zeit in Persien getroffen hätten, und das war genau die Stunde, an welcher ich überfallen wurde. Er konnte beweisen, daß er sich nicht an der Stelle des Überfalls befunden haben könne. Ich mußte schweigen.“
„Die beiden sind jedenfalls dabei beteiligt gewesen. Meinst du das nicht auch?“
„Ich bin überzeugt davon. Seit jener Zeit habe ich ihm aufgepaßt. Ich sah und hörte vieles, ohne jedoch den rechten Zusammenhang zu finden. Endlich bin ich gar auf die Idee gekommen, daß er kein anderer ist, als – als –“
Er getraute sich nicht, das Wort zu sagen; darum ergänzte ich herzhaft:
„Als der Schut!“
„Herr!“ fuhr er auf.
„Was gibt's?“
„Du sagst ja ganz genau, was ich
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