17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
meine, daß da drin –!“
„Etwa – etwas Lebendiges krabbelt?“ fuhr er fort.
„Richtig! Ganz dasselbe meine ich.“
„Alle Teufel! Ah!“
Er hielt sich die Mütze vor das Gesicht und starrte hinein. Seine Nase fuhr hin und her, nach oben und nach unten, als hätte sie sich ganz separat auf die eifrigste Okularinspektion legen wollen. Dann ließ er die Hände mit der Mütze sinken und rief erschrocken aus:
„Woe to me! Louses! Lice!“
„Habt ihr es entdeckt, Sir?“
Er wollte den Fez wegwerfen, besann sich aber anders, stülpte ihn vor sich auf den Sattelknopf, fuhr sich mit beiden Händen in das Haar und begann nun eine ganz entsetzliche Verwüstung seiner Toilette anzurichten. Dabei erging er sich in Ausdrücken, welche gar nicht wiederzugeben sind, und war am grimmigsten darüber, daß diese Tierlein nicht einmal das ehrenwerte Haupt eines Lords von Altengland respektierten.
Dieser Zorn brachte mich zum Lachen. Er ließ die Hände vom Kopf, wendete sich wieder zu mir und schrie mich an:
„Lacht nicht, Sir, sonst boxen wir! Wie steht es denn mit Eurem Fez? Erfreut auch er sich einer solchen Einwohnerschaft?“
„Habe nicht die Ehre, mein lieber Lord. Diese Art von Soldiers hält sich fern von mir, weil ich mich niemals so zuvorkommend wie Ihr gegen sie erwiesen habe.“
„Welche Unvorsichtigkeit, diesen Fez zu nehmen! So ein Unheil, welches er angerichtet hat! Und in dieser kurzen Zeit! Sollte man es für möglich halten!“
„O was das betrifft, so hat der Türke eine Redensart, welche lautet: Tschapuk ok gibi hem bit gibi – schnell, wie der Pfeil und die Laus. Und in der Türkei versteht man sich auf diese Sache doch sehr gut.“
„Aber, was tue ich, was fange ich an? Gebt mir doch einen guten Rat! Ich darf den Palast, welchen dieses unheilvolle Volk bewohnt, nicht wegwerfen, denn es wäre eine Schande, unbedeckten Hauptes in Rugova einzureiten. Und ob es dort einen Laden gibt, in welchem ich eine neue Kopfbedeckung erhalten kann, das ist doch fraglich.“
„Sogar sehr! Vor uns braucht Ihr Euch nicht zu genieren und könnt den Gefährten ganz ruhig Euer Unglück wissen lassen. Steigen wir für zwei Minuten ab.“
Nachdem die andern erfahren hatten, um was es sich handelte, erbot sich Osco, die Exekution zu übernehmen. Er legte die Mütze auf einen Stein und tat eine dünne Schichte Erde oben darauf. Auf diese kam dann ein Haufen trockener Zweige, welcher angebrannt wurde. Dadurch erreichten Erde, Stein und Mütze einen Wärmegrad, welcher den beabsichtigten Zweck unbedingt erfüllte. In der Nähe tröpfelte Wasser vom Fels und bildete eine kleine Pfütze, in welcher der Fez nach dem warmen Verfahren einer nassen Behandlung ausgesetzt wurde. Dann erhielt der Lord den Schutz der Würde seines Hauptes zurück, und wir ritten weiter. Auf dergleichen Episoden muß man im Orient stets gefaßt sein, selbst wenn man zufälligerweise ein Lord von Altengland ist.
SECHSTES KAPITEL
Unter der Erde
Wir ritten weiter. Nach einiger Zeit traten rechter Hand die Felsen zurück, und es öffnete sich uns ein freier Blick nach Osten, während links uns die Berge weiter begleiteten. Dann sahen wir von fern, zur Rechten von uns, einen Reiter kommen. Da das Terrain zwischen ihm und uns ein ebenes war, erblickte er uns zu gleicher Zeit, und wir bemerkten, daß er den Schritt seines Pferdes so richtete, daß er mit uns zusammentreffen mußte. Als er uns erreichte, grüßte er höflich, und wir dankten ihm ebenso. Er hatte eine behäbige Gestalt und ein ehrliches, offenes Gesicht, welches ganz geeignet war, eine gute Meinung über ihn zu erwecken.
„Wir wollen nach Rugova“, sagte ich ihm. „Ist es noch weit bis dorthin?“
„Noch eine halbe Stunde, Herr“, antwortete er. „Ihr werdet sogleich den vereinigten Drin erreichen, hart an dessen linkem Ufer die Straße hinführt. Ihr scheint fremd zu sein. Auch ich will nach Rugova; ich bin von dort. Erlaubt ihr, daß ich euch begleite?“
„Sehr gern. Du kannst uns, da wir fremd sind, mit Auskunft erfreuen.“
„Ich bin bereit dazu. Sagt nur, was ihr wissen wollt.“
„Zunächst möchten wir erfahren, bei wem man dort einkehren kann.“
Ich hatte die Absicht, bei dem Wirt Kolami, von welchem der Alim gesprochen hat, abzusteigen, sagte das aber nicht, um vorher über den Khan des Schut etwas Näheres zu erfahren.
„Rugova besitzt zwei Khans“, erklärte er. „Der eine, welcher der größere ist, gehört einem Perser, namens Kara Nirwan,
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