17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
er niedersank.
Aber dieser Mann war ein übermächtiger Gegner; war die Betäubung nur eine augenblickliche, so konnte der Ausgang doch noch ein schlimmer für mich werden. Darum riß ich ihm, sobald er gestürzt war, die Schärpe vom Leib und band ihm die Arme bei den Ellbogen auf dem Rücken zusammen.
Kaum war das geschehen, so erholte er sich. Noch geschlossenen Auges machte er eine Bewegung, aufzuspringen; sie gelang natürlich nicht. Dann riß er die Augen auf, starrte mich an, blieb dann bewegungslos liegen, zog aber ganz plötzlich die Füße an sich, gab sich mit dem Oberkörper einen Schwung aufwärts und nach vorn, kam wirklich empor und zum Stehen und stemmte die Hände in die Seiten, um die Schärpe zu zersprengen. Zum Glück hielt sie fest.
Das war außerordentlich schnell geschehen; aber ebenso schnell hatte ich meinen Gürtel abgenommen und schlug ihm mit dem Bein die Füße nach hinten, so daß er nach vorn wieder niederstürzte. Sofort saß ich ihm auf den Knien und band ihm auch die Füße zusammen. Er konnte sich gar nicht dagegen wehren, weil er ja die Arme auf dem Rücken hatte.
„So!“ sagte ich, indem ich keuchend aufstand. „Jetzt wissen wir, wer den andern hat. Da drüben im Stollen werden sich die Leute nicht auffressen, und du wirst den guten Bewohnern von Rugova erklären, wie es dir möglich gewesen ist, so schnell in einen Schacht zu kommen, den du gar nicht kennst.“
„Teufel!“ zischte er. „Hundertfacher Teufel!“ Dann schloß er die Augen und blieb ruhig liegen.
Die Strömung hatte den Kahn ergriffen und trug ihn pfeilschnell abwärts. Die darin Sitzenden sahen mich und hielten auf mich zu.
„Herr, wir hielten dich für verloren!“ rief der Konakdschy schon von weitem. „Allah sei Dank, daß er dich gerettet hat! Wer liegt bei dir?“
„Der Schut.“
„O Himmel! So hast du ihn?“
„Ja.“
„Dann schnell! Auf, auf, legt euch in die Ruder!“
Die Knechte strichen so aus, daß das Boot mit halbem Körper auf das Ufer schoß. Die drei sprangen heraus und eilten herbei.
„Er ist's, ja, er ist's!“ jubelte Konakdschy. „Welch ein Schwimmer mußt du sein, Herr! Wie gelang es dir denn, ihn zu überwinden?“
„Das kann ich dir nachher sagen. Jetzt schafft ihn in den Kahn, mit welchem der Transport viel schneller geht, als wenn wir den Mann am Ufer hin über die Brücke tragen. Wir müssen nun schnell hinaufsenden nach dem Karaul, damit die Leute erfahren, daß ich sie nicht belogen habe. Da ich ihnen nicht gefolgt bin, sind sie imstande, sich an meinen Begleitern zu vergreifen.“
Sie führten diese Weisung aus, und nach einigen Minuten landeten wir an der Brücke. Einer der Knechte lief zu dem Karaul hinauf. Der Konakdschy brachte mit den andern Knechten den Schut in das Haus. Ich nahm Jacke, Weste und Stiefel in die Hände und lief in türkischen Strümpfen hintendrein. Den Fez abzulegen, daran hatte ich gar nicht gedacht; er war mir fest sitzen geblieben. Ich mußte nun die nassen Kleider ausziehen. Eine Hose zu borgen, war eine sehr heikle Sache, wenn ich an die zoologische Entdeckung dachte, welche der Lord in seinem Fez gemacht hatte. Zum Glück besaß der Wirt einen neuen Schalwar (türkische Pumphosen), den er noch nicht getragen hatte, und diesen zog ich an. Kaum war ich angekleidet, so erschien Halef nebst dem Engländer. Der Lord machte Schritte wie Peter mit den Siebenmeilenstiefeln, und Halef sprang neben ihm einher, wie ein kleines Pony neben einem hochbeinigen Reitkamel.
„Ist's wahr? Habt ihr ihn, Master?“ rief Lindsay, die Tür aufreißend.
„Da liegt er. Seht ihn euch an!“
Der angenommenen Rolle treu, hielt der Schut die Augen geschlossen.
„Naß! Wohl ein Kampf im Wasser?“ forschte Lindsay.
„Beinahe.“
„War er im Schacht?“
„Ja.“
„Well! So kann er nicht mehr leugnen!“
„O Sihdi, du hast andere Hosen an?!“ fragte Halef. „Das muß entsetzlich gewesen sein, dort an der gefährlichen Stelle! Ich bin neugierig, alles zu erfahren.“
Aber zum Erzählen war jetzt keine Zeit; denn nun trafen auch die andern ein. Die andern? Nein, das ganze Dorf kam gelaufen und wollte sehen und hören. Wir stellten uns an die Tür und ließen nur den Stareschin ein und die Köj pederleri (Väter des Dorfes). Der ausübende Polizist war auch dabei, ein Kerl – dick wie Falstaff und mit einem blechernen Schlauch bewaffnet, der vermutlich ein Blasinstrument vorstellen sollte.
Als diese Leute den Liebling der Umgebung gebunden
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