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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ging, um sich die Blume seines Herzens zu holen, und wurde ermordet, ohne ihr Angesicht gesehen zu haben. Das Geld hatten wir bei uns, um Schafe zu kaufen, da über die Herden unserer Gegend ein großes Sterben gekommen war. Aber wie habt ihr die Untat des Köhlers entdecken und zugleich erfahren können, daß man mich zum Schut gebracht hat?“
    „Wir werden es dir nachher erzählen“, antwortete ich. „Sage mir zunächst, ob du dich allein hier befindest.“
    „Hier neben mir liegt einer, welcher türkisch sprechen kann, aber doch auch ein Fremder sein muß, denn –“
    Er wurde durch ein heftiges Pochen unterbrochen, und hinter der nächsten Tür erscholl eine Stimme:
    „Macht auf, macht auf!“
    Wir schoben den Türriegel zurück und fanden den in derselben Weise wie Stojko in Ringe gelegten Gefangenen.
    „Dem Himmel sei Dank!“ rief er. „Endlich Rettung!“
    „Warum wart Ihr bis jetzt still?“
    „Ich habe alles gehört; aber ich glaubte nicht daran und hielt es für einen neuen Streich des Schut. Wie habe ich nach Befreiung geseufzt und gefleht, aber vergeblich!“
    Es war Galingré, französischer Getreidehändler in Skutari. Er hatte nicht so lange wie Stojko in den Ringen gesteckt und konnte nach seiner Befreiung stehen und bald auch langsam gehen. Die andern beiden Gefängnislöcher waren leer.
    Stojko und Galingré erzählten nun ihre Leidensgeschichte. Wer bisher noch gezweifelt hatte, daß Kara Nirwan der Schut sei, der mußte jetzt eine andere Meinung fassen. Der Anblick dieser beiden Mißhandelten empörte alle Anwesenden gegen den Verbrecher. Es wurden wilde Drohungen ausgestoßen, doch glaubte ich nicht an die Nachhaltigkeit dieser moralischen Entrüstung. Der Skipetar rächt nur das, was ihm selbst und den Gliedern seiner Familie oder seines Stammes geschehen ist. Hier aber handelt es sich um zwei fremde Menschen, an denen die Bewohner von Rugova kein wärmeres Interesse hatten. Auf ihre Hilfe durfte ich mich ja nicht allzu fest verlassen.
    Zunächst galt es, die Örtlichkeit weiter zu untersuchen. Die schmale Tür, durch welche wir den Perser hatten kommen sehen, stand noch offen. Es handelte sich darum, zu sehen, wohin sie führte. Die abgebrannten Kerzen wurden durch neue ersetzt, und dann begannen wir die Untersuchung. Einige von den Dorfbewohnern blieben bei Galingré und Stojko zurück.
    Durch die Tür gelangten wir in einen ziemlich hohen, aber schmalen Gang, dessen Wände aus Steinen gemauert waren. Er führte uns nach kurzer Zeit in ein viereckiges Gelaß, in welches zwei weitere Gänge mündeten. Eine Decke war nicht vorhanden; es stieg vielmehr eine Leiter empor, welche ähnlich gebaut war, wie die hölzernen Fahrten in unseren Schachten. Neben derselben hing eine ziemlich neue Schnur herab.
    Welchen Zweck hatte diese Schnur?
    Ich betrachtete sie sorgfältig. Sie war sehr dünn und von dunkler Farbe. Als ich sie zwischen den Fingern rieb, bröckelte ein feines, staubiges Pulver ab.
    „Weg mit dem Licht!“ rief ich dem Alten neben mir zu. „Das ist eine Zündschnur, welche nach oben in eine –“
    Ich kam nicht weiter. Der Mann hatte sich gebückt, um ganz unnötigerweise nachzusehen, ob der Faden bis zum Boden reiche, und war dabei demselben mit dem Licht zu nahe gekommen. Augenblicklich zuckte ein bläuliches Flämmchen über meine Finger hinweg, in denen ich die Schnur noch hielt.
    „Zurück! Schnell zurück!“ schrie ich schreckensbleich. „Es gibt eine Explosion!“
    Die Dorfleute standen wie erstarrt. Meine drei Gefährten besaßen mehr Geistesgegenwart; sie verschwanden augenblicklich in dem Gang, durch welchen wir gekommen waren. Ich folgte ihnen, und nun rannten auch die andern nach. Da ging es auch schon los, hinter und über uns.
    Zuerst hörten wir einen dumpfen Krach. Die Wände des Ganges, in welchem wir vorwärts eilten, schienen zu wanken, und von der Decke fielen Steine herab. Dann folgte ein donnerartiges Rollen, von mehreren Schlägen unterbrochen, und endlich ein Knall, hoch über uns, bei welchem aber doch der Boden unter unsern Füßen zitterte. Wie verhallender Paukenwirbel tönte es noch eine Weile über uns fort; dann war es still. Wir befanden uns wieder in dem runden Raum, und keiner fehlte.
    „Allah! Ne idi bu – Gott! Was war das?“ fragte der Alte, welcher vor Schreck und Anstrengung keinen Atem fand.
    „Ein Patlama (Explosion)“, antwortete ich. „Du hast die Zündschnur angebrannt, und infolgedessen ist wohl der Schacht

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