17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
springen, ließ erraten, daß er ein guter Schwimmer sei. Die reißende Strömung mußte ihn schnell davontragen. Entkam er, so konnte er der Familie Galingrés, welche wir warnen wollten, entgegenreiten, sich mit Hamd el Amasat vereinigen und –
Ich dachte nicht weiter. Seit er ins Wasser gesprungen, waren noch kaum zwei Sekunden vergangen; so warf ich denn Jacke und Weste ab, saß auf die Ruderbank nieder, riß mir die hohen schweren Stiefel förmlich von den Beinen und rief in den Stollen zurück:
„Ich schwimme. Schnell in das Boot, und dann mir nach!“
„Um Allahs willen, nein! Es ist dein Tod!“ antwortete der Konakdschy.
Aber schon war ich im Wasser. Ich sprang nicht hinein, sondern ich ließ mich leise hinab, denn bei den Strudeln, welche es hier gab, war es geraten, auf der Oberfläche zu bleiben. Hauptsache ist da ein kräftiges Ausstreichen, nicht auf voller Brust, sondern halb auf der Seite liegend, so daß man mit dem abwärts gerichteten Arm nach unten schlägt und also durch den Gegendruck oben gehalten wird.
Kaum war ich mit dem Kopf durch den Pflanzenvorhang gekommen, so wollten mich die Strudel packen. Ich wurde an den Felsen gedrängt und kämpfte eine ganze Weile, um nur oben und auf derselben Stelle bleiben zu können. Dann schoß eine Welle heran, brach sich am Felsen – das war der richtige Augenblick; ich überließ mich ihr, half durch energisches Stoßen nach und schoß stromab davon, so schnell, daß ich unwillkürlich die Augen schloß.
Als ich wieder aufblickte, befand ich mich zwischen zwei Strömungen, welche sich eine Strecke von mir vorwärts trafen und einen gefährlichen Wirbel bildeten. Es war auf der Mitte des Flusses. Vor diesem Wirbel mußte ich mich hüten. Ich wendete sofort, hatte aber lange und angstvoll zu arbeiten, bevor es mir gelang, die eine Strömung zu durchkreuzen und in ruhiges, sicheres Wasser zu kommen.
Jetzt erst konnte ich mich um den Schut kümmern. Durch das sogenannte Wassertreten gab ich mir eine aufrechte Haltung und sah mich um. Da – grad aus dem Wirbel, den ich so ängstlich vermieden hatte, tauchte er empor; er schoß fast bis zur Hälfte des Leibes aus dem Wasser, tat einen wahren Delphinsprung und überwand den Strudel. Dann hielt er nach dem Ufer herüber, in dessen Nähe ich mich befand.
Ich konnte nicht anders, ich mußte ihn bewundern. Er war ein viel, viel besserer Schwimmer als ich. Es war ihm gar nicht eingefallen, einen Wirbel zu vermeiden. Er wußte, daß dieser ihn zwar fassen, aber auch wieder ausstoßen würde. Jetzt befand er sich abwärts von mir und schwamm nach dem Ufer zu, ohne sich umzusehen; darum bemerkte er mich nicht.
Es verstand sich ganz von selbst, daß ich ihm folgte. Hände und Füße unter der Oberfläche haltend, so daß ich kein Geräusch verursachte, hielt ich mich hinter ihm. Im Schnellschwimmen war ich ihm wohl überlegen, denn ich war ihm bald so nahe, daß ich fast seinen Fuß ergreifen konnte. Aber auch das Ufer war schon da. Jetzt mußte der Schrecken mein Verbündeter sein. Er hatte keine Waffen mehr, und ich auch nicht. Es stand mir also das bevor, was ich hatte vermeiden wollen – ein Ringkampf.
Das hier drüben platte Ufer war mit angespülten Kieseln bedeckt und lief nach und nach seicht aus. Als der Schut Grund fühlte, nahm er denselben schnell unter die Füße und watete hinaus, triefend von Wasser. Er hatte es dabei so eilig, daß er sich auch jetzt nicht umsah und das Wasser mit lautem Spritzen vor sich herschob. Darum hörte er es gar nicht, daß hinter ihm noch einer kam. Da ich wohlweislich Schritt mit ihm hielt, so hielt er meine Schritte für die seinigen. Dabei raffte ich am Rand des Wassers einen faustgroßen, runden Kiesel auf, um mich desselben als Waffe zu bedienen.
Jetzt stand er am Land, streckte die Arme empor, stieß einen frohlockenden Ruf aus und drehte sich halb um und blickte nach dem Eingang des Stollens. Dort kam eben der Kahn herausgeschossen; so lange hatten die drei Männer gebraucht, um den gewaltigen Wasserdruck zu überwinden.
„Ihr Hunde! Euch bekomme ich noch!“ rief er und wandte sich dann wieder nach dem Land, um davonzueilen. Ich war zwei Schritte seitwärts getreten und stand nun vor ihm.
„Und ich bekomme dich!“ antwortete ich ihm.
Mein Anblick brachte eine noch größere Wirksamkeit hervor, als ich erwartet hatte. Er brach vor Schrecken beinahe zusammen und erhielt, bevor er sich ermannen konnte, mit dem Stein einen Schlag an den Kopf, daß
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