17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Wali überliefert werden. Man hat Jahre hindurch getrachtet, ihn zu fangen. Nun er entdeckt ist, dürfen wir ihm nicht deshalb beistehen, weil er ein Einwohner unseres Ortes ist, sondern wir müssen die Schande, welche er über uns bringt, damit abwaschen, daß wir uns mit Abscheu von ihm wenden.“
Das war ein richtiges Wort zu rechter Zeit. Er ging hinaus. Wir hörten lange seine Stimme schallen; dann aber brach ein Lärm los, welcher mich zu der Befürchtung brachte, daß er gegen uns gerichtet sei. Aber ich hatte mich geirrt.
Als er dann zurückkehrte, wurden diejenigen gewählt, welche mitgehen sollten. Es gab im ganzen fünf Kähne, die alle benutzt werden sollten.
Ich hatte Sorge, daß man während unserer Abwesenheit einen Versuch machen könne, den Schut zu befreien, darum fragte ich meine Gefährten, ob sie ihn bewachen wollten. Halef, Osco und Omar wollten aber unbedingt in den Stollen, und nur der Lord erklärte sich gern bereit zur Wache. Schließlich sagte mir der Wirt, daß er seinem Gesinde befehlen werde, niemand einzulassen. Das genügte. Der Schut wurde in eine Ecke gelegt, und der Engländer setzte sich bewaffnet zu ihm.
Draußen machte uns die Menge willig, ja beinahe ehrerbietig Platz. Da nur ein einziges Boot in dem Einfahrtsloch Platz hatte, ging das Ausschiffen sehr langsam vor sich. Jeder leere Kahn mußte zurückkehren, bevor ein besetzter ihm folgen konnte. Die zuerst Angekommenen mußten im Stollen auf die letzten warten. Der Konakdschy, welcher die Einfahrt kannte, stieg aus einem Nachen in den andern, um den Steuermann zu machen, bis wir endlich alle beisammen waren, sechzehn Personen. Es gab eben sehr viele ‚Väter des Dorfes‘.
Erwähnt muß werden, daß möglichst viele Laternen herbeigeschafft worden waren. Diese Leuchten der Nacht befanden sich ohne Ausnahme in einem sehr traurigen Zustand. Die beste von ihnen hatte eine ganze und eine halbe Glasscheibe und war übrigens mit geöltem Papier verklebt. Lichter waren genug da, so daß jeder, der keine Laterne hatte, eine Talgkerze anzündete und in der Hand trug.
Ich schritt voran. Bevor wir die Spalte erreichten, sah ich mein Messer liegen. Ich hatte es also mit dem Revolver herausgerissen und steckte es nun wieder zu mir. Der über die Spalte führende Steg wurde, bevor die andern ihn betraten, noch einmal sorgfältig untersucht, und endlich gelangten wir in den runden Raum. Noch stand die Tür offen, vor welcher ich gekniet hatte, als der Schut erschienen war. Jetzt rief uns die Stimme des Insassen entgegen:
„O Allah! Kommt ihr endlich wieder? Ich bin fast verzweifelt!“
„Du glaubst also jetzt, daß wir kamen, um dich zu retten?“ fragte ich, mich wieder mit der Laterne zu ihm hineinblickend.
„Ja, denn ich vernahm es aus den Worten, welche von euch gesprochen wurden, als ihr dem Schut nachfolgtet. Dann verging eine so lange, lange Zeit, und ich mußte annehmen, daß ihr ihm zum Opfer gefallen wäret.“
„Wir haben ihn gefangen, und du wirst als Zeuge gegen ihn dienen.“
„Mein Zeugnis soll sein Verderben sein, auch das Verderben des Köhlers, welcher meinen Sohn ermordet hat.“
„So bist du also Stojko, der Besitzer des Goldfuchses?“
„Stojko ist mein Name. Woher kennst du mich?“
„Das wirst du nachher erfahren; jetzt müssen wir vor allem deine Füße aus den Ringen nehmen.“
Die Ringe bestanden aus zwei Hälften, welche unten durch ein Gelenk beweglich und oben mittels einer Schraube geschlossen waren. Der Schut hatte einen Schraubenschlüssel bei sich gehabt, welchen er fallen gelassen; wir suchten und fanden das Werkzeug. Als der Mann frei war und sich aufrichten wollte, vermochte er es nicht sogleich. Er hatte vierzehn Tage in derselben Lage zugebracht und mußte Zeit haben, die Glieder zu üben.
Es war eine hohe, ehrwürdige Gestalt. Jetzt freilich bot er keineswegs das Bild eines stolzen Skipetaren. Halef trat zu ihm, so daß die Lichter ihn beschienen, und fragte:
„Stojko, kennst du dieses Panzerhemd?“
„Allah! Es ist das meinige.“
„Wir haben es dem Köhler abgenommen, auch den Säbel, den Handschar und das Geld. Es befand sich in zwei Beuteln.“
„Es war mein Eigentum, wenn es nämlich achttausendsechshundert Piaster sind. Ich hatte dreißig silberne Medschidieh; das übrige bestand aus goldenen Pfund- und Halb-Pfund-Stücken.“
„Es ist gerettet, und du sollst alles wiederhaben.“
„Was nützt mir das Geld, da mein Sohn nicht lebendig gemacht werden kann! Er
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