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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geöffnet werden. Die übrigen Türen waren mit vielen Riegeln versehen.
    „Hinter diesen niedrigen Türen befinden sich die Gefangenen“, sagte ich, schob einen der Riegel zurück und öffnete. Wir sahen ein ungefähr sieben Fuß tiefes, vier oder fünf Fuß breites und ebenso hohes Loch, in welchem ohne jedwede Unterlage ein Mensch lag, und zwar, wie es der Engländer beschrieben hatte, mit den Füßen in eisernen Ringen steckend.
    „Wer bist du?“ fragte ich.
    Ein Fluch war die Antwort.
    „Sage, wer du bist! Wir kommen, dich zu retten.“
    „Lüge nicht!“ klang es mir rauh entgegen.
    „Es ist die Wahrheit. Wir sind Feinde des Schut und wollen dich –“
    Ich kam nicht weiter. Zwei Rufe ertönten, einer aus dem Mund eines der Knechte und einer aus dem Mund des – Schut.
    Ich hatte mich vor das Loch gekniet und hielt die Laterne in dasselbe. Der Konakdschy kauerte neben mir, und die Knechte standen gebückt hinter uns, um auch hineinzusehen. Indessen war die vorhin erwähnte schmale Tür aufgegangen und der Perser eingetreten. Der Knecht hatte ihn gesehen. Beide stießen die Schreie aus.
    Ich drehte mich nach dem Knecht um:
    „Was gibt's?“
    Die Tür des Loches stand nämlich so von der Mauer ab, daß ich den Schut nicht sehen konnte.
    „Dort, da – da ist er!“ antwortete der Gefragte, auf den Perser deutend.
    Ich sprang auf und sah über die Tür hinweg.
    „Drauf!“ rief ich, als ich ihn erkannte.
    Der Verbrecher war im höchsten Grad erschrocken, uns hier zu sehen, und stand ganz starr. In der Hand hielt er einen Meißel oder etwas Ähnliches. Mein Ruf gab ihm die Beweglichkeit zurück.
    „O Hassan, o Hosseïn!“ schrie er, indem er den Meißel nach meinem Kopf schleuderte. „Ihr sollt mich nicht haben, ihr Hunde!“
    Ich mußte mich blitzschnell hinter die Tür bücken, um nicht getroffen zu werden. Als ich wieder emporfuhr, sah ich ihn in dem Stollen verschwinden. Er wollte auf demselben Weg entspringen, welcher uns hereingeführt hatte. Da wir hier waren, so mußte ein Kahn vorhanden sein, mit Hilfe dessen er entkommen konnte, so sagte er sich. Er war durch den Schacht von oben herabgekommen, durfte aber nicht durch denselben zurückkehren, weil inzwischen die Leute da oben angekommen waren, von denen er sich auf irgendeine Weise entfernt hatte. Sie hätten ihn sehen müssen, und das Mundloch des Schachtes wäre entdeckt gewesen.
    „Er entspringt! Ihm nach!“ rief ich, ließ die Laterne stehen und sprang in den Stollen hinein.
    „Nimm die Laterne mit!“ schrie der Konakdschy hinter mir her.
    Ich hütete mich wohl, dies zu tun; denn ich hatte das Licht nicht ohne Absicht zurückgelassen. Ich hatte gesehen, daß der Schut auch jetzt die Pistolen im Gürtel trug. Die Laterne in meiner Hand hätte ihm ein sicheres Zielen ermöglicht. Er braucht nur ganz ruhig stehen zu bleiben und die Waffe auf mich zu richten, so mußte er mich treffen. Darum folgte ich ihm im Finstern.
    Das war freilich keine leichte Sache. Ich streckte die Hände aus, um mit den Seitenwänden Fühlung zu nehmen, und rannte so, hüben und drüben anstreifend, so schnell wie möglich vorwärts. Von Zeit zu Zeit blieb ich einen Augenblick stehen, um auf seine Schritte zu lauschen. Aber das war vergeblich, denn der Konakdschy kam mit den Knechten hinter mir her, und der Lärm, den sie verursachten, übertäubte den Fußschlag des Schut.
    Übrigens war die Verfolgung gefährlich, obgleich ich keine Laterne trug. Er brauchte mich nicht zu sehen. Er durfte nur stehenbleiben und die Pistole ziehen. Das Geräusch meiner Schritte genügte, mich ihm zu überliefern. Ich an seiner Stelle hätte dieses Verfahren gewiß befolgt. Zwei geladene Doppelpistolen, also vier Kugeln und außerdem noch das Messer, reichten hin, uns unschädlich zu machen. Ich rechnete aber auf seine Angst und darauf, daß er denken würde, selbst dann nicht entkommen zu können, wenn es ihm auch gelänge, einen oder zwei von uns zu töten.
    So ging es in möglichster Eile vorwärts. Ich hatte mich doch verrechnet, als ich glaubte, das Entsetzen werde ihn unaufhaltsam vorwärtstreiben. Er war doch stehengeblieben, denn plötzlich krachte vor mir ein Schuß. Zehnfach stark in diesem engen, niedrigen Gang. Beim Blitz des Pulvers sah ich, daß der Schütze sich kaum zwanzig Schritte vor mir befand. Die Kugel traf nicht. Ich hörte sie an die Wand schlagen, blieb stehen, zog den Revolver und drückte zwei-, dreimal ab.
    Ich horchte. Einige Augenblicke später

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