17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Ihren Gefährten gebe, so werden Sie mir doch diese Freude nicht verderben. Nein, das dürfen Sie nicht tun!“
„Was das betrifft, so sind diese Leute vollständig ihre eigenen Herren. Ich habe ihnen nichts zu befehlen; sie können tun und lassen, was ihnen beliebt.“
„Das freut mich. Sie werden ihnen also nicht abraten, mir zu erlauben, dankbar zu sein?“
„Nein. Ich weiß, daß die Zurückweisung eines dankbaren Herzens dasselbe beleidigt und mit einer schweren Last bedrückt. Handeln Sie also ganz nach Belieben! Ich bin überzeugt, daß Sie dabei die richtige Art und Weise finden werden; denn grad meine Gefährten haben Eigenheiten, unter denen ein ausgebildetes Ehrgefühl nicht die letzte und geringste ist.“
„So bitte ich herzlich, mir zu sagen, wie ich an jedem einzelnen am besten meine Schuld abzutragen vermag. Der Engländer –“
„Kommt hier gar nicht in Betracht“, fiel ich ein. „Er ist Lord und mehrfacher Millionär. Ein aufrichtig gemeinter Händedruck ist ihm lieber als die kostbarste Gabe. Übrigens ist er nicht Ihr Gläubiger. Er selbst wurde ja gerettet!“
„So will ich Osco nennen?“
„Dessen Tochter ist an den Sohn eines steinreichen Großhändlers in Stambul verheiratet. Er kehrt dorthin zurück und wird alle seine Bedürfnisse auf das reichlichste befriedigt sehen. Ich weiß übrigens, daß er, bevor wir Edreneh verließen, von seinem Schwiegersohn mit reichlichen Mitteln für unsern Ritt versehen wurde. Sie sehen also, daß er keines Geldes bedarf. Er ist ein Montenegriner; eine Gabe an Geld würde er vielleicht gar als Almosen betrachten und sich dadurch beleidigt fühlen.“
„Wie steht es mit Halef?“
„Der ist arm. Sein junges Weib ist die Enkeltochter eines arabischen Scheiks, der aber nie ein Rothschild gewesen ist.“
„So meinen Sie, daß ich ihn mit etwas Geld erfreuen könnte?“
„Ja. Wenn Sie es ihm nicht direkt bieten, sondern als Zeichen der Ehrerbietung für die ‚Herrlichste der Frauen und Töchter‘, so werden Sie es ihm ermöglichen, mit Stolz in seine Heimat zurückzukehren und dann Ihrer zu gedenken.“
„Und Omar?“
„Ist noch ärmer. Er war wie sein Vater, Führer über die Salzdecke des Schott Dscherid, ein fürchterlich waghalsiges Geschäft, wie ich selbst erfahren und auch erlebt habe. Sein Vater wurde, während er uns über den Schott führte, von Hamd el Amasat erschossen, und Omar verließ, vollständig mittellos, seine Heimat, um den Mörder zu suchen und die Bluttat zu rächen. Er ist von da aus, denken Sie sich, vom südlichen Tunesien aus, durch die Sahara, Ägypten und so weiter bis nach Konstantinopel und dann mit uns bis hierher gereist, ohne alles Geld, ein Meisterstück sondergleichen. Wenn er sich gerächt hat und nun von mir scheiden muß, steht er hilflos da in der Fremde und weiß nicht, wie er seine ferne Heimat erreichen soll. Zwar kann ich ihm wohl soviel bieten, als er nötig hat, seinen Hunger zu stillen, aber – hm!“
Ich hatte mit Absicht die Lage Omars ein wenig ungünstiger geschildert, als sie in Wirklichkeit war. Dieser reiche Franzose konnte für den armen Araber schon ein wenig tiefer in den Beutel greifen. Er sagte auch gleich:
„Nun, so soll es mir ein großes Vergnügen machen, für ihn sorgen zu dürfen. Aber Osco darf ich also nichts anbieten?“
„Geld nicht. Ein kleines Andenken würde er annehmen.“
„Schön! Sie halten es also nicht für eine Beleidigung, wenn man irgendeinen an sich nicht wertwollen Gegenstand als Souvenir angeboten bekommt?“
„Ganz und gar nicht.“
„Nun, so hoffe ich, auch Sie werden mir nicht zürnen, wenn ich Sie hiermit dringend ersuche, sich mit Hilfe dieses kleinen Cachet zuweilen meiner zu erinnern. Ich habe es nur als Berloque getragen und meinen Namen noch nicht eingravieren lassen; der Ihrige kann also leicht angebracht werden. Der Schut hatte mir natürlich auch die Uhr abgenommen, und ich bin nur durch Sie wieder in ihren Besitz gelangt. Wenn ich eine arme Berloque für Sie von der Kette löse, so kann dies hoffentlich keine Gabe sein, durch deren Größe Sie sich beleidigt fühlen.“
Bei diesen Worten nestelte der Kaufmann das kleine Petschaft von der Uhrkette und reichte es mir hin. Er nannte es eine arme Gabe. Nun, so arm war sie denn doch nicht. Die Berloque bildete eine kleine achtseitige Pyramide, welche aus einem sehr schönen, fleischfarbenen Topas bestand, fein in Gold gefaßt war und oben auf der Spitze eine Saphirkugel trug,
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