17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
immerhin ein Geschenk von einigen hundert Mark. Ich konnte es natürlich nicht zurückweisen, und er freute sich wirklich aufrichtig, als ich erklärte, es annehmen zu wollen.
Jetzt schlossen wir uns den andern wieder an. Der Lord befand sich in einem sehr angeregten Gespräch mit den Damen. Er freute sich, da sie Französisch verstanden, seine Zunge wieder einmal in Bewegung bringen zu können, was ihm bei seiner mangelhaften Sprachkenntnis unter Türken und Arnauten nicht gut möglich gewesen war.
Er schilderte ihnen den miserablen Weg von hier bis Rugova und knüpfte daran die Versicherung, daß von dort aus die Straße nach Uskub von Ort zu Ort immer schlechter werde. Er erwähnte die Entbehrungen und Unbequemlichkeiten, welche sie während einer so langsamen Ochsenwagenreise zu erdulden haben würden, und bat sie am Schluß, doch wieder nach Skutari umzukehren und mit ihm nach Antivari zu reisen, wo der französische Dampfer sicherlich noch vor Anker liege und sie zur See und viel bequemer nach Saloniki bringen werde, von wo aus sie mit der Bahn nach Uskub fahren könnten.
Um meinen Rat gefragt, mußte ich ihm leider unrecht geben, was er mir nicht wenig übelzunehmen schien. Der liebe Lord hatte Geld und Zeit genug, sich erlauben zu können, eine unter Skipetaren gefundene Familie mittels Schiff nach Saloniki und auch noch weiter zu bringen. Er war in dieser Beziehung der echte, richtige Englishman, welcher die Erde als sein Eigentum betrachtet und gern überall seine Noblesse glänzen läßt.
So erreichten wir endlich den Newera-Khan. Die Damen stiegen aus, und wir begaben uns in die Stube. Dort hatte Halef bereits den Herrn und Gebieter gespielt, wie mir gleich der erste Blick sagte, welchen ich umher warf. Hinten am Tisch saß der Wirt mit all den Seinen. Es waren ihrer noch mehr, als ich vorher beisammen gesehen hatte. Einige schmutzige Burschen, welche Knechte zu sein schienen, waren dazugekommen. Am vorderen Tisch saßen die beiden Ochsenfuhrleute. Allen sah man es an, daß sie unter dem Zwang litten, welchen der Kleine ihnen aufgelegt hatte – sie waren seine Gefangenen.
Wie er es angefangen hatte, sich so in Respekt zu setzen, das fragte ich ihn nicht. Ich kannte ja seine Art und Weise. Er ging mit gravitätischen Schritten auf und ab, während Osco bei den Fuhrleuten saß. Dieser hatte die gespannten Pistolen vor sich liegen. In ihnen lag die Macht, welche die beiden ausgeübt hatten.
Hart an der Wand lag Hamd el Amasat auf der Lehmdiele, noch immer so fest gebunden, wie vorher. Er sah uns mit herausfordernden, trotzigen Blicken an.
Die Fuhrleute mußten Platz für die Frauen machen. Alle setzten sich, wo sie Raum fanden; nur ich blieb bei Halef stehen und fragte ihn leise:
„Hat Amasat dich erkannt?“
„Schwerlich! Wenigstens habe ich es ihm nicht angesehen, oder er hat es sich nicht merken lassen.“
„Du hast ihm nichts gesagt?“
„Kein Wort. Ich habe gar nicht mit ihm gesprochen. Desto mehr aber habe ich mit dem Wirt reden müssen. Er wollte sich nicht fügen, bis ich ihm die Pistole vor die Nase hielt.“
„Wozu?“
„Nun, ich mußte doch die ganze Gesellschaft gefangen nehmen!“
„Das hatte ich dir nicht befohlen.“
„War auch gar nicht nötig. Ich weiß auch, ohne daß es mir geboten wird, was getan werden muß. Wenn ich den Wirt mit seinen Knechten frei hätte umherlaufen lassen, so wäre er vielleicht gar auf den Gedanken gekommen, Hamd el Amasat mit Gewalt der Waffen zu befreien.“
Da hatte er freilich nicht ganz unrecht.
„Hast du dem Wirt gesagt, daß der Schut tot ist?“
„Nein. Da er Hamd el Amasat gebunden sieht, kann er sich wohl denken, wie die Sache steht.“
Ich hatte dem Hadschi diese Schweigsamkeit nicht zugetraut. Er ergriff doch sonst jede Gelegenheit, von großen Heldentaten zu sprechen.
Da alle auf mich blickten, gebot ich Halef, dem Gefangenen den Lasso abzunehmen und ihm nur die Hände auf den Rücken zu binden, damit er sich aufrechtsetzen könne. Das geschah. Anstatt mir für diese Erleichterung dankbar zu sein oder sich wenigstens ruhig zu verhalten, fuhr er mich an:
„Warum bindet man mich? Ich verlange, daß ich freigelassen werde!“
„Warte noch ein wenig“, antwortete ich. „Und sprich in einem andern Ton, sonst wird dir mit Hilfe der Peitsche Ehrerbietung beigebracht! Mit Dieben, Betrügern und Mördern verkehrt man nicht so, wie mit ehrlichen Leuten.“
„Ich bin kein Dieb!“
„Nicht? Und doch hast du deinen Prinzipal
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