17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
einen von ihnen gekannt haben“, antwortete er, „da ich nie in Blidah gewesen bin! Ich kenne weder Algerien, noch die dortigen Länder oder die Wüste. Ich bin ein Armenier und von meinem Vaterland aus nur nach Stambul und hierher gekommen.“
„Ein Armenier bist du? Sonderbar! Grad ein Armenier sollte es sein, welcher Galingré ermordet hatte!“
„Das geht mich nichts an. Es gibt Hunderttausende von Armeniern.“
„Ja, das ist richtig; aber viele von ihnen verleugnen ihre Abstammung. So z.B. kenne ich einen, der sich für einen Angehörigen der Uëlad Hamalek ausgegeben hat.“
Er nagte an der Unterlippe. Aus seinen Augen schoß ein Blick auf mich, als ob er mich mit denselben durchbohren wollte. Es mochte ihm die Ahnung kommen, daß seine Vergangenheit mir genauer bekannt sei, als er geglaubt hatte. Er sann sichtlich darüber nach, wo er mir bereits begegnet sei, kam aber wohl nicht zur Klarheit, denn er rief zornig:
„Sprich doch von Sachen und Personen, die ich kenne. Der Stamm der Uëlad Hamalek ist mir unbekannt. Auch kann ich keinen Bruder haben, welcher Barud el Amasat heißt, denn mein Name ist Hamd en Nassr.“
„Nicht Hamd el Amasat?“
„Nein.“
„So! Also Hamd en Nassr heißt du. Da besinne ich mich auf einen Menschen, welcher sich Abu en Nassr nannte. Hast du den Mann nicht gekannt?“
Jetzt öffnete er den Mund und stierte mich aus großen Augen erschrocken an.
„Nun, antworte?“
Aber er antwortete nicht. Das Weiße seiner Augen färbte sich rot, und die Adern seiner Stirn schwollen dick hervor. Er schluckte und schluckte und brachte kein Wort hervor. Ich fuhr fort:
„Dieser Abu en Nassr führte seinen Namen ‚Vater des Sieges‘ deshalb, weil er einmal dem Wekil der Oase Kbilli einen Dienst geleistet hatte, welcher einige Tapferkeit erforderte. Besinne dich!“
Die Züge seines Gesichtes schienen steif geworden zu sein. Er lallte einige Worte, welche niemand verstehen konnte.
„Dieser Abu en Nassr war der Mörder Galingrés. Er ermordete dann auch dessen Sohn in der Wüste. Er ermordete ferner den Führer Sadek auf dem Schott Dscherid. Ich traf auf die Leiche des Jungen Galingré und –“
Da unterbrach er mich. Er stieß einen kreischenden unartikulierten Schrei aus und schnellte sich, obgleich ihm die Hände gebunden waren, aus der sitzenden Stellung auf die Füße empor.
„Uskut, el kelb el dschirbahn – verstumme, du räudiger Hund!“ brüllte er mich an, und sonderbarerweise im Arabisch jener Gegend, in welcher ich damals mit ihm zusammengetroffen war. „Jetzt weiß ich, wer du bist! Du bist jener stinkende Deutsche, welcher mich bis Kbilli verfolgte! Deine Väter und Urväter sollen verflucht sein, und an deinen Kindern und Kindeskindern sollen alle Übel des Leibes und der Seele haften! Jede Stunde muß dir ein neues Unglück bringen und –“
„Und dieser Augenblick dir die Peitsche!“ unterbrach ihn Halef, indem er herbeisprang und aus allen Kräften auf ihn losschlug. „Erkennst du nicht auch mich, du Sohn einer Hündin und du Enkel einer verfaulten Hyäne? Ich bin jener kleine Hadschi Halef Omar, der bei diesem Effendi war, als er dich traf!“
Hamd el Amasat bewegte sich nicht. Er nahm die Streiche hin, ohne den Fuß von der Stelle zu rühren. Er starrte den Kleinen an und schien die Hiebe gar nicht zu fühlen, welche er bekam.
„Und erkennst du nicht auch mich?“ fragte Omar, indem er langsam herbeitrat und Halef auf die Seite schob, „ich bin Omar, der Sohn Sadeks, den du auf dem See Dscherid ermordet hast, so daß er nun unter dem Salz im fließenden Sand begraben liegt und niemand die Stelle besuchen kann, um an ihr zu Allah und dem Propheten zu beten. Ich bin dir gefolgt von Kbilli aus. Allah hat nicht gewollt, daß ich dich fand. Er hat dir Zeit geben wollen zur Reue und Buße. Da du es aber ärger getrieben hast, als vorher, so hat er dich nun endlich in meine Gewalt gegeben. Mache dich bereit! Die Stunde der Rache ist da! Du entkommst mir nicht wieder, und unter deinen Füßen öffnet sich bereits die Dschehennah, um deine Seele zu empfangen, welche verflucht und verdammt ist für alle Ewigkeit!“
Welch ein Unterschied zwischen diesen beiden. Omar stand ruhig, stolz und hochaufgerichtet da. In seinem Gesicht war nicht die Spur einer Leidenschaft, des Hasses, der Rache zu sehen. Nur kalte, finstere Entschlossenheit lag über demselben ausgebreitet. Hamd el Amasat zitterte, nicht vor Angst, sondern vor Grimm. Seine Züge verzerrten
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