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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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können. Soll denn das so fortbestehen?“
    „Einstweilen, ja. Wir müssen ihn sicher machen.“
    „So unterhalte du dich mit ihm. Auf den Quell meiner Sprachfertigkeit aber muß er verzichten.“
    Auch der brave Schäfer machte ein besorgtes Gesicht, als er hörte, wer an Stelle seines Knechtes, welchen er uns angeboten hatte, unser Führer sein sollte. Ich beruhigte ihn mit der Versicherung, daß der Wirt mir gar nichts anhaben könne.
    Unser Abschied war herzlich.
    Als wir an die Furt kamen, wartete der Wirt bereits dort. Er saß auf einem nicht üblen Pferd und war mit Messer, Pistolen und einer langen Flinte bewaffnet. Bevor unsere Pferde die Hufe in das Wasser setzten, wendete er sich gegen Osten, streckte die offene Hand aus und sagte:
    „Allah sei bei uns vorwärts und rückwärts. Er lasse unser Vorhaben gelingen, Allah 'l Allah, Mohammed Rassuhl Allah!“
    Das war die nackte Gotteslästerung! Allah sollte ihm bei der Ausführung des Raubmordes beistehen! Ich mußte unwillkürlich nach Halef blicken. Dieser preßte die Lippen aufeinander und zuckte mit der Hand nach der Peitsche; dann sagte er:
    „Allah kennt den Ehrlichen und gibt seinem Werk Segen; der Ungerechte aber fährt zur Hölle!“
    Der Ritt von hier nach Glogovik war fast genau so lang wie derjenige, welchen wir gestern zurückgelegt hatten; da es voraussichtlich keinen Aufenthalt wie am vorigen Tag gab, hofften wir, schon am Nachmittag dort anzukommen.
    Gesprochen wurde wenig. Das Mißtrauen verschloß meinen Gefährten den Mund, und der Konakdschy machte keinen Versuch, ihre Einsilbigkeit zu brechen. Er mochte befürchten, durch ein unbedachtes Wort den Verdacht, welchen er eingeschlafen wähnte, wieder zu wecken.
    Die Gegend war bergig, aber so wenig interessant, daß gar nichts über sie zu sagen ist. Erreichten wir ja einmal ein kleines Dorf, so widerte uns die Armseligkeit desselben so an, daß wir uns beeilten, hindurch zu kommen.
    Glogovik liegt an dem früher berühmten Bergpfad, welcher in Toli Monastir beginnt und zwischen den Flüssen Treska und Drin fast grad nach Norden streicht und dann mit einer plötzlichen Wendung nach Osten in Kakandelen endet. Ich ließ mir sagen, daß dieser Weg jetzt kaum noch sichtbar sei.
    Als wir Glogovik vor uns liegen sahen, hielt Halef sein Pferd an und überflog mit finsterem Blick die ärmlichen Hütten, in welche ein deutscher Bauer wohl schwerlich seine Kühe stecken würde. Auf einer Anhöhe stand eine kleine Kapelle – ein Zeichen, daß ein Teil der Einwohnerschaft oder auch die ganze Bevölkerung sich zum Christentum bekenne.
    „O wehe!“ sagte er. „Wollen wir etwa hier bleiben, Effendi?“
    „Wohl nicht“, antwortete ich mit einem fragenden Blick auf den Führer. „Es ist ja erst zwei Stunden nach Mittag. Wir tränken die Pferde und reiten dann wieder vorwärts. Hoffentlich gibt es im Dorf ein Einkehrhaus?“
    „Es ist eins da, aber es wird dir nicht genügen“, meinte der Konakdschy.
    „Für unseren Zweck reicht es jedenfalls aus.“
    Wir erreichten die ersten Häuser und sahen einen Kerl im Gras liegen, welcher, als er den Hufschlag unserer Pferde hörte, aufsprang und uns anstarrte. Er war der glückliche Besitzer eines Anzuges, um dessen Einfachheit ihn ein Papua hätte beneiden können. Eine Hose, aber was für eine! Das rechte Bein derselben reichte zwar bis auf den Knöchel herab, war aber auf beiden Seiten aufgeschlitzt und hatte buchstäblich Loch an Loch. Das linke Bein ging bereits kurz unter der Hüfte seinem Ende entgegen und lief in eine ganz unbeschreibliche Garnierung von Fransen und Fäden aus. Das Hemd hatte keinen Kragen, keinen rechten und nur einen halben linken Ärmel. Es war ihm höchst wahrscheinlich einmal abgerissen worden, nämlich der untere Teil, denn es reichte nur so weit herab, daß zwischen demselben und dem Hosenbund ein Streifen niemals gewaschener, lebendiger Menschenhaut zu sehen war. Auf dem Kopf trug dieser Dandy einen mächtigen Turban von einem Stoff, welchem ich die Marke ‚Scheuerhader‘ geben würde. Mehrere bunte Hahnenfedern wiegten sich würdevoll auf dieser Kopfbedeckung. Ausgerüstet war er mit einem alten, fast halbkreisförmig gekrümmten Säbel. Ob es nur die fürchterlich rostige Klinge der Waffe war, oder ob dieselbe in einer schwarzen Lederscheide steckte, das war nicht zu unterscheiden.
    Nachdem uns dieser Gentleman lange genug angestarrt hatte, rannte er wie rasend von dannen, schwang den Säbel rund um den Kopf und

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