17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
denn?“
„Ich will euch nur sagen: Wer auf den Pfaden dieses Mannes wandelt, der läuft Gefahr, zu demselben schrecklichen Ende zu gelangen. Ich habe noch niemals einen Gottlosen glücklich gesehen.“
„So meinst du, dieser fromme Mann sei gottlos gewesen?“
„Ja, und du weißt sehr gut, daß ich recht habe.“
„Aber er hat stets für heilig gegolten. Warum hat Allah ihn nicht eher gestraft?“
„Weil Allah gnädig und langmütig ist und selbst dem härtesten Sünder Zeit zur Umkehr und Besserung gibt. Allah sieht nur eine Weile zu, und wird die Zeit der Barmherzigkeit nicht benützt, so bricht sein Strafgericht um so schrecklicher herein. In dem Lande meiner Heimat gibt es ein Sprichwort, welches lautet:
Allah dejirmenler jawasch öjütirler,
Lakin korkurlu jufka öjütirler
(Gottes Mühlen mahlen langsam,
mahlen aber schrecklich klein).
Dieses Wort gilt auch für euch. Es trägt für den Sünder eine furchtbare Wahrheit in sich. Ich wünsche, daß ihr dieselbe erkennt und nach ihr handelt. Tut ihr das nicht, so werdet ihr ebenso wie der Mübarek dem Strafgericht verfallen.“
„Herr, mir gelten deine Worte nicht“, lachte der Konakdschy. „Ich bin dein Freund und habe mit dem Alten nichts zu schaffen. Allah kennt meine Gerechtigkeit und weiß, daß ich keine Strafe verdiene. Und auch dieser Mann, der Kohlenhändler, und seine Frau sind ehrliche Leute. Du hast uns eine Rede gehalten, die wir nicht auf uns zu beziehen brauchen. Jeder Mensch sollte sich um seine eigenen Fehler bekümmern.“
Da er sich seiner bösen Absichten gegen uns sehr wohl bewußt war, so konnten diese Worte nur als eine Frechheit bezeichnet werden. Halef griff auch nach der Stelle seines Gürtels, an welcher sich die Peitsche befand. Ich gab ihm aber einen abwehrenden Wink und antwortete dem Konakdschy:
„Du hast recht, denn wir alle sind Sünder, und ein jeder Mensch hat seine Fehler. Dennoch ist es Pflicht, den Nächsten zu warnen, wenn er sich in eine Gefahr begibt, in welcher er leicht umkommen kann. Und es gibt keine größere Gefahr als diejenige, mit der Langmut und Barmherzigkeit Allahs sein Spiel zu treiben. Ich habe diese meine Pflicht getan, und es ist nun eure Sache, meiner Warnung Gehör zu schenken oder nicht. Wir sind hier fertig und wollen nun das Fleisch nach der Stelle tragen, an welcher das Pferd überfallen ward.“
Wir begaben uns in den Schuppen. Das Gerippe des Pferdes hielt noch zusammen, und wir konnten es gleich im ganzen tragen. Halef und der Kohlenmann faßten vorn an, ich trug hinten, und dann marschierten wir ab. In der Nähe des Platzes angekommen, gebot ich, die Last niederzulegen. An dem schweren Gerippe hing wohl noch ein voller Zentner Fleisch. Das Fell hatte der Wirt schon abgezogen.
Ich gebot, unsere Sohlen recht fest an dem Fleisch hin und her zu reiben, damit der Bär nicht unsere frischen Spuren wittere. Der Fleischgeruch mußte seine Nase irreführen. Dann ging es weiter.
Als wir die Stelle erreichten, sah ich, daß sie außerordentlich gut für unsern Zweck geeignet war. Ich erkannte trotz des abendlichen Dunkels die Einzelheiten der Örtlichkeit, da ich sie in einem Halbkreis so umschritt, daß sie zwischen mir und dem hellodernden Feuer lag und sich also alle Umrisse gegen dasselbe abzeichneten.
Die sehr scharf vortretende Zunge des Waldes endete in einer schroff felsigen Spitze, von welcher schwere, quaderartige Massen abgestürzt waren. Diese lagen zerstreut unten umher. Zwischen ihnen war das tote Pferd aufgefunden worden. Wir hatten es genau an demselben Punkt wieder hingelegt, und wenn wir uns im richtigen Wind hinter eins der Felsenstücke legten, so konnte uns das Raubtier, falls es wirklich kam, gar nicht entgehen.
Dem Kohlenhändler war es an diesem Ort nicht geheuer, und er ging alsbald davon. Wir folgten ihm langsam nach.
„Der Kerl will nicht gefressen werden“, lachte Halef. „Jetzt im Dunkeln könnte ihm das vielleicht passieren, aber ich wette, wenn der Bär ihn am Tage sähe, so würde er den Kopf schütteln und sagen: du bist mir zu schmutzig! Sihdi, du winktest mir nach dem Päckchen, welches er in der Hand hatte?“
„Ja. Weißt du, was es enthielt?“
„Natürlich! Ich erkannte sogleich den Lappen, welchen die Besitzerin des Fischtranes um das Geräucherte gewickelt hatte. Ich hatte ihn samt der Wurst weggeworfen. Sollte er auch die Wurst gefunden haben?“
„Höchst wahrscheinlich, denn das, was der Lappen enthielt, hatte ganz die Form einer
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