17 Tante Dimity und die Dorfhexe Dorfhexe (Aunt Dimity and the Village Witch)
Schulhaus gewesen wäre«, sagte Amelia, » hätte er sofort das Zeichen erkannt und uns geradewegs in die Krypta geführt, sodass wir keinen Tag verloren hätten. Aber so muss ich wohl Mr Brocklehurst und seiner Herde störrischer Rindviecher dankbar sein.«
» Störrische Rindviecher?«, fragte Millicent.
» Meine ungebetenen Jünger«, erklärte Amelia. » Sie sind zwar irritierend einfältig, aber wenn sie nicht gewesen wären, hätte ich heute keinen Grund gehabt, in die Krypta hinabzusteigen.«
» Dürfte ich die Rolle haben, Mrs Thistle?«, fragte Lilian. » Ich kann es nicht erwarten, mit der Übersetzung zu beginnen.«
Doch dann erinnerte sie sich offenbar daran, was das Dokument möglicherweise enthüllen würde, und jede Freude wich aus ihren Zügen. Mir war genauso zumute, und an den Gesichtern der anderen konnte ich ablesen, dass es ihnen ähnlich erging. Auch sie verstanden, welch schwierige Aufgabe Lilian auf sich nahm.
» Ich schlage vor, wir alle kehren jetzt zum Mittagessen nach Hause zurück«, sagte Lilian und nahm die Rolle von Amelia entgegen. » Und in einer Stunde treffen wir uns wieder im Schulhaus.« Sie hielt kurz inne, um dann hinzuzufügen: » Nein, sagen wir lieber in zwei Stunden. Könnte sein, dass ich für die Übersetzung der vierten Seite ein wenig mehr Zeit brauche.«
Da uns der Zutritt zu Fairworth House verwehrt war, beschloss Bill, nach dem Mittagessen mit den Jungen zum Cotswold Farm Park zu fahren. Bei der Aussicht auf ein Abenteuer ausschließlich für Jungs waren Will und Rob völlig aus dem Häuschen. Bill hingegen behauptete, dass er lieber ein schwarz-weiß gepunktetes Schwein tätschelte, als sich Gamaliels Bericht über das Ableben von Mistress Meg anzuhören. Das konnte ich sehr gut nachempfinden, wenngleich ich für meinen Teil das überwältigende Bedürfnis verspürte, das Ende der Geschichte zu erfahren.
Als sie mit dem Rover davonbrausten, winkte ich ihnen nach und fuhr dann mit meinem alten Morris Mini langsam nach Finch. Der Mini ließ gar keine andere Geschwindigkeit zu, aber das gemächliche Dahintuckern passte zu meiner Stimmung. Ich hatte das Gefühl, ich wäre unterwegs zu einer Hinrichtung.
Ich stellte den Wagen vor Bills Büro ab und schloss mich den Menschen an, die zahlreich ins Schulhaus strömten. Es sah aus, als wären nur jene Bewohner von Finch nicht gekommen, die sich um ihr Vieh kümmern oder anderweitig arbeiten mussten. Als ich eine Bemerkung über den großen Andrang machte, informierte mich Selena Buxton, dass der Pfarrer der Gemeinde während seiner kleinen Ansprache vor dem Gottesdienst auch von Amelias Schriftrollenjagd erzählt hatte.
» Alle sind gekommen, weil sie wissen wollen, was es damit auf sich hat«, sagte sie. » Niemand will die Neuigkeiten aus zweiter Hand erfahren.«
Insbesondere nicht in Finch, dachte ich, behielt den Gedanken jedoch für mich.
Amelia hatte wieder einen Platz für mich in der ersten Reihe reserviert, aber ihrer war leer, als ich eintraf. Sie stand auf dem Podium und bat um Aufmerksamkeit. Als die Menge verstummte und sie erwartungsvoll ansah, fasste sie wie Lilian am Vortag in Kürze die Vorgeschichte zusammen, wahrscheinlich um es Lilian zu ersparen, sich zu wiederholen.
Amelia war gerade mit ihrer Zusammenfassung fertig, als Lilian das Schulhaus betrat, die neue Pergamentrolle und einen Notizblock in den Händen. Amelia unterhielt sich leise mit Lilian und stieg dann vom Podium, um sich neben mich zu setzen. Sie sah zugleich erwartungsvoll als auch schicksalsergeben aus.
Was in Lilian vorging, vermochte ich nicht zu sagen. Ihr Gesichtsausdruck, der bei der Lesung der dritten Seite aufgewühlt und besorgt gewesen war, wirkte jetzt undurchdringlich. Ich fragte mich, ob sie ihre Gefühle zurückhielt, um nicht von ihnen überwältigt zu werden.
» Da Mrs Thistle Sie bezüglich der Geschichte der Aufzeichnungen bereits auf den neuesten Stand gebracht hat«, sagte sie, » werde ich meine Übersetzung ohne Vorrede vorlesen. Ich würde Sie wieder bitten, sich Ihre Kommentare und Fragen bis zum Ende des Textes aufzuheben.« Sie räusperte sich, blickte auf ihren Notizblock und begann laut zu lesen.
» Als der Hexenfinder bei dem Haus im Wald eintraf, standen wir zu dreißig davor, während Mistress Meg vor uns auf einem großen, flachen Stein saß. Er befahl ihr, ihre Verbrechen zuzugeben. Sie sagte, dass sie das nicht tun würde, denn sie habe keine Verbrechen begangen. Er wiederholte Jenna Penners
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