170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo
Jungvögel dicht nebeneinander hockten, mit Lederfesseln und Glöckchen an den Beinen. „Versucht, Euch ruhig zu verhalten, Mylady“, sagte Gerald mit leiser, weicher Stimme. „Bisher sind sie nur an mich und meine Stimme gewöhnt …“
Der Falkner setzte einen Vogel auf seinen Handschuh und hielt ihn nahe genug, um das Tier sachte berühren zu können. Er gab beruhigende Laute von sich und sprach beinahe zärtlich mit dem Tier. Der Zwergfalke blieb still sitzen, behielt jedoch jeden Winkel des halbdunklen Raumes genau im Auge.
Marcus nahm Keelins Hand und streifte ihr einen Handschuh über. Dann setzte Gerald den Falken auf ihren Handrücken. Sie strahlte vor Begeisterung.
„Sprecht ganz leise zu ihr, Mylady“, empfahl er, während er dem Vogel weiterhin behutsam über das Federkleid strich.
„Ach, bist du ein feines Mädchen.“ Keelin flüsterte und fuhr fort, das Tier zu streicheln. Der Zwergfalke plusterte sich auf, blieb aber willig auf Keelins Hand sitzen, als sie weiter beruhigend auf das Tier einredete.
Ihre Stimme rief bei Marcus indes eine ganz andere Wirkung hervor und ließ seine Sehnsucht erneut aufflammen. Er stand so dicht wie möglich hinter Keelin, ohne jedoch mehr als ihren Mantel zu berühren. Wie gerne hätte er sich eng an sie geschmiegt und die Arme um sie geschlungen!
Stattdessen hörte er zu, wie sie den Zwergfalken mit sanften Lauten beruhigte.
„Ich werde nun gehen, Mylord“, sagte Gerald. „Die Hauben liegen auf der Bank …“
Marcus nickte und entließ den Falkner.
Er konnte Keelins Wärme spüren. Als sie zu dem Vogel sprach, vernahm er nicht ihre Worte, sondern folgte der sinnlichen Melodie ihrer Stimme.
Als Gerald den Raum verlassen hatte, beugte Marcus sich etwas nach vorne, wobei Keelins Haar sein Kinn streifte. Er atmete bewusst ihren Duft ein, nahm sich jedoch in Acht, weder sie noch den Vogel zu erschrecken.
Der Raum wurde nur durch eine Fackel nahe der Tür schwach erleuchtet, aber man konnte die Umrisse aller anderen Jagdvögel erkennen, die auf ihren Sitzstangen schlummerten.
„Ach, ich liebe das leise Klirren deines Glöckchens, meine Schöne“, sagte Keelin. „Marcus, warum tragen sie diese Glöckchen?“
„Damit der Falkner all ihre Bewegungen wachsam verfolgen kann“, erklärte er. „Einer unserer Falkner ist ständig hier.“
„Das wusste ich nicht …“, erwiderte sie leise. „Gewiss, ich hätte es mir denken können … es sind wertvolle Vögel.“
„Werdet Ihr uns begleiten, wenn wir die Tiere für den Köder abrichten?“
Keelin zögerte. Marcus trat nun vor sie, nahm ihr den Zwergfalken ab und setzte ihn wieder auf die Stange.
„Wenn das Wetter besser wird, bringen wir die Vögel für einige Stunden aufs offene Feld, um herauszufinden, was sie leisten können.“ Er nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. „Sagt, dass Ihr kommen werdet, Keelin.“
Sie schien sich an seinem Blick zu berauschen.
Die heiße, gelbe Flamme der Fackel spiegelte sich flackernd in ihren Augen, doch dann schloss sie die Lider. „Ja“, hauchte sie. „Ich komme mit Euch.“
Marcus war mehr als glücklich. Er deutete nach oben. „Seht Ihr, dort?“
Sie schaute hinauf zu den dunklen Balken an der Decke. „Was ist dort? Oh, die Mistelzweige.“
Er nickte und sah, dass sie erfreut lächelte. Mehrere Zweige hingen von den tragenden Balken herunter, und Marcus konnte es in diesem Augenblick kaum abwarten, Keelin zu zeigen, welche Eigenschaften man in England der Pflanze zuschrieb.
„Die Mistel birgt Zauberkräfte, sagtet Ihr“, meinte Keelin leise, und ihre zarte Stimme schien sich in dem großen Raum zu verlieren.
„Es gibt viele Leute, die das behaupten“, erwiderte Marcus. Er stand dicht vor ihr und nahm eine Locke ihres seidigen Haars.
„Und man braucht nicht mehr zu tun, als die Zweige aufzuhängen?“, fragte sie.
Ein Lächeln umspielte seinen Mund. „Genau“, erwiderte er. „Und man muss den Menschen, den man liebt, bei sich haben.“
„Oh … einen geliebten Menschen, sagt Ihr?“, flüsterte sie.
„Ja“, hauchte Marcus, und ohne zu zögern küsste er sie.
Keelin hatte sich gewünscht, dass er sie küssen würde, doch sie hatte auch Bedenken verspürt. Bisher war es ihr gelungen, Marcus nicht zu nahe zu kommen und ihre gegenseitige Zuneigung zu verdrängen. Ihr Herz hing bereits zu sehr an ihm und Wrexton Castle, doch so oft sie darüber nachgedacht hatte, sie fand keinen triftigen Grund, der es ihr erlaubte, ihre
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