170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo
Pflicht zu vernachlässigen.
Es blieb ihr keine Wahl. Sie musste Wrexton verlassen.
Sie spürte, dass ein Gefühl der Verzweiflung in ihr aufkeimte. Wenn doch die Mistelzweige einen Zauber besäßen, durch den sie in Wrexton Castle bleiben könnte!
Sie umarmte ihn, genoss es, seine Hände in ihrem Haar zu spüren, auf ihren Schultern und ihrem Rücken. Sie ließ es zu, dass er sie eng an sich zog, denn sie ahnte, dass dies womöglich die letzten sinnlichen Augenblicke mit Marcus de Grant sein würden. Das Wetter würde sich bald ändern, und sie wäre gezwungen, aufzubrechen.
„Keely“, flüsterte Marcus, als er zart mit dem Mund über ihr Ohr strich. Er bedeckte ihren Hals mit Küssen, und seine Hände suchten sich ihren Weg unter ihrem schweren Umhang. „Habt Ihr eine Vorstellung davon, wie sehr ich mich nach Euch sehne?“
Ja, dachte sie, und Tränen schimmerten in ihren Augen. So sehr, wie ich mich nach Euch sehne, aber ich wage es nicht, Euch meine Sehnsucht zu gestehen.
Ihre Hände fuhren durch sein Haar, diese goldene Pracht, die sie so bewunderte. Sie schmiegte sich noch enger an ihn, als seine heißen Lippen sie in heftige Erregung versetzten. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, wenn er sie in dieser Weise berührte … und vermochte nicht, die Willenskraft aufzubringen, die sie brauchte, um ihm zu widerstehen.
„Marcus“, wisperte sie.
Er hielt sie eng umfangen und entfachte Flammen des Verlangens in ihr. Seine Lippen liebkosten eine besonders empfindliche Stelle unter ihrem Ohr.
„Dieser Zauber ist sehr stark“, hauchte sie außer Atem, als seine Berührungen ihr die Sinne raubten. Sie war sich sicher, dass ihre Gefühle für Marcus auch ohne die Mistel nicht stärker sein könnten. Es hatte nicht der kleinen Zauberpflanze bedurft, um ihr Herz enger an diesen Mann zu binden.
Doch sie litt Seelenqualen. So viel sie auch für Marcus empfand, sie musste zurück nach Carrauntoohil. Mochten sie es sich beide auch anders ersehnen.
Mit einem Ruck riss sie sich von ihm los.
„Keelin?“ Er hatte geglaubt, sie ganz in seinen Bann gezogen zu haben.
„Marcus“, sagte sie mit zittriger Stimme, „wir dürfen nicht … es ist unmöglich, dass wir …“
„Keelin, ich …“
„Bitte!“, rief sie und wandte sich von ihm ab. „Macht es mir doch nicht noch schwerer. Ich muss zurück nach Hause.“
„Nein!“ Seine Stimme klang hart und voller Enttäuschung.
„Ich kann nicht bleiben“, sagte sie leise, „auch wenn ich es mir anders wünschte …“
Keelin hüllte sich in ihren Umhang und verließ den Raum mit unsicheren Schritten. Sie musste ihre ganze Willenskraft aufbringen, um ihre Beine bewegen zu können und Marcus dort bei den Käfigen stehen zu lassen. Wenn sie sich auch nur einen Augenblick gestattet hätte, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen, wäre sie zu ihm zurückgekehrt.
Sie raffte die Röcke und rannte zum Bergfried, als ob der Teufel hinter ihrer Seele her wäre.
20. KAPITEL
„Du kannst unmöglich bei diesem Wetter aufbrechen, Mädchen“, sagte Tiarnan, als er hörte, dass Keelin offenbar damit beschäftigt war, ihre Sachen zu packen.
„Es wird sich bald aufklären, Onkel“, meinte sie, während sie ein weiteres Gewand zusammenfaltete und in ihren Lederbeutel legte. Die Holztruhe wollte sie bei Tiarnan lassen und nur das Nötigste für die Reise mitnehmen.
„Und was ist mit Ga Buidhe an Lamhaigh ?“, fragte er. „Wer wird dich und die Lanze schützen, wenn du unterwegs bist?“
„Es wird sich ein Weg finden“, erwiderte Keelin unbeirrt. Sie war fest entschlossen, so rasch wie möglich aufzubrechen, bevor der Kummer ihr das Herz brechen und Marcus noch mehr Qualen leiden würde. „Vielleicht bezahle ich einen Ritter aus Wrexton, damit er mich begleitet.“
„Hast du darüber schon mit Marcus gesprochen?“, fragte Tiarnan gereizt. Die Wut und Verzweiflung in seiner Stimme waren kaum zu überhören. Er war ihr gegenüber nie laut geworden, doch Keelin spürte in diesem Augenblick seinen aufwallenden Zorn. Begriff er denn nicht, wie wichtig es war, Ga Buidhe an Lamhaigh nach Carrauntoohil zu bringen?
„Nein“, erwiderte Keelin.
Der alte Ire schlug sich voller Ungeduld mit der Hand auf den Oberschenkel. „Wenn du für alles gesorgt hast, warum weinst du dann?“
Keelin schniefte und wischte die Tränen fort. Sie schluckte und versuchte, mit klarer Stimme zu sprechen, damit ihr Onkel die Lüge nicht wahrnahm. „Ich … ich weine nicht.
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