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170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo

170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo

Titel: 170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Maguire
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dass er sie so schmerzlich vermisste. Verstimmt saß er mit Selby und dessen Familie auf der Empore, hielt einen Kelch mit Ale in der Hand und ließ eine weitere Vorführung der Komödianten über sich ergehen.
    In dem Stück machte ein lächerlich gekleideter Possenreißer einer Frau den Hof. Zu Beginn wurde, wie üblich, ein mächtiger Ritter erschlagen, und das Werben des Possenreißers nahm seinen Lauf. Marcus achtete nicht auf die lachenden Zuschauer, sondern richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf den grellen Narren und das Objekt seiner Begierde.
    Nie zuvor war er sich derart töricht vorgekommen. In all den Jahren, in denen er den Frauen unbeholfen begegnet war und unter seiner Schüchternheit hatte leiden müssen, hatte er geahnt, dass er wohl kaum eine Frau für sich finden würde.
    Doch jetzt, da er sie gefunden hatte, musste er sie wieder fortlassen.
    Er nahm einen kräftigen Schluck Ale und sah zu, wie der mächtige Ritter wieder zum Leben erweckt wurde, indem ihm jemand Weihwasser über das Haupt goss. Da seine Wunden nun verheilt waren, griff der wackere Ritter nach seinem Holzschwert und nahm selbst Eis und Sturm in Kauf, um zu seiner wahren Liebe zurückzukehren – jener Dame, die inzwischen von dem Possenreißer umworben wurde.
    Marcus ertrug es nicht länger. Er leerte seinen Kelch und zog sich von der Gesellschaft zurück. In seiner gegenwärtigen Stimmung hatte er in der fröhlichen Runde nichts verloren.
    Seine Laune war an einem Tiefpunkt angekommen, als er aus der Großen Halle stürmte und sich in seinen warmen Umhang hüllte. Noch wusste er nicht, wohin er gehen sollte, denn es lag ihm fern, seinen Unmut an irgendjemandem auszulassen, mochte es Mensch oder Tier sein.
    Das Wetter war zu schlecht für einen ziellosen Ritt, und so trotzte Marcus dem Wind und stapfte durch den Eisregen zum Gebäude der Jagdvögel. Dort, dessen war er sich sicher, ließe sich Arbeit finden, die ihn ablenkte. Es gab immer Bedarf an neuen Lederriemen, und die ein oder andere Beinfessel müsste gewiss geflickt werden. Vielleicht würde er sich auch ein wenig den jungen Falken zuwenden.
    Alles war ihm nun recht, um nicht länger darüber nachdenken zu müssen, wie hartnäckig Keelin leugnete, was sie beide zutiefst miteinander verband.
    Ein heftiger Sturm, der von Westen kam, drückte die Tür auf, als er den Riegel zur Seite schob. Regen und Wind drangen ins Innere, bis es Marcus endlich gelang, die Tür zu schließen.
    Plötzlich war es wieder dunkel um ihn, aber er zündete rasch eine Lampe an, die neben dem Eingang hing. Als er sich umschaute, war er bestürzt über das Durcheinander, das sich seinen Augen bot.
    Gwin und Cleo saßen nicht auf ihren Stangen. Und auch die beiden Jungvögel, die abgerichtet werden sollten, waren nirgends zu sehen.
    Und wo war Gerald?
    Marcus nahm die Lampe und bahnte sich vorsichtig seinen Weg durch die heillose Unordnung auf dem Fußboden – Werkzeuge lagen verstreut umher, dazwischen Leder, Kerzen, zerbrochene Leuchten und Lampenöl. Eine Arbeitsbank war umgestürzt worden, und der Inhalt sämtlicher Schubladen bedeckte den Boden.
    „Gerald?“, rief Marcus. Er ging weiter und starrte angestrengt in die Dunkelheit jenseits des Lichtkreises seiner schwachen Lampe.
    Es kam keine Antwort, und daher fuhr er in seiner Suche fort. Zwei weitere Vögel fehlten, ein Habicht und ein Zwergfalke – die wertvollsten Tiere waren nicht mehr in ihren Käfigen.
    Weiter hinten im Schatten bemerkte Marcus etwas Langes, Dunkles am Boden. Er wusste im gleichen Augenblick, dass dort ein Mensch lag, und rechnete mit dem Schlimmsten. Er eilte zu dem reglosen Körper, stellte die Lampe ab und drehte den Mann auf den Rücken. Es war Gerald. Der Falkner hatte eine klaffende Wunde an der Stirn, aber er atmete noch.
    „Gerald!“, rief Marcus.
    Der Falkner stöhnte auf, öffnete indes nicht die Augen. Marcus schüttelte ihn sachte, und nach mehreren Versuchen sah der Mann ihn mit umwölktem Blick an.
    „Lord Wrexton!“, kam es heiser von ihm.
    „Was ist hier geschehen? Seid Ihr noch woanders verletzt, Gerald?“
    „Nein, Mylord“, brachte der Falkner angestrengt hervor, als der Graf ihm vorsichtig half, sich aufzusetzen. „Ich denke nicht. Nur ein paar Prellungen.“
    „Sagt mir, was vorgefallen ist. Wer hat das getan?“
    „Zwei Männer“, erwiderte Gerald und fasste sich behutsam an die verletzte Stirn.
    „Wer waren diese Männer?“
    „Ich weiß es nicht, Mylord“, antwortete der Falkner.

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