1700 - Hüter der Apokalypse
Freund Godwin, und ich kann nur sagen, dass es so etwas auf dieser Welt noch nicht gegeben hat.«
»Dann behalten Sie es.«
Diesmal kicherte er. »Das werde ich auch. Aber ich bin ein Menschenfreund, denn ich möchte, dass du es dir ansiehst.«
»Ach so. Ich soll also Ihrer Firma einen Besuch abstatten.«
»Was heißt Firma. Sie ist das eine, dieser Extrakt ist das andere. Du findest mich nicht in meiner Firma. Du musst schon woanders hinkommen.«
»Ich verzichte.«
»Hm – schade, dann wird deine kleine Frau aber sehr enttäuscht von dir sein.«
Plötzlich raste sein Herz. Godwin wünschte, sich verhört zu haben, aber das hatte er leider nicht. Er spürte einen Schwindel, der ihn packte und fast zum Wanken brachte. Da war er froh, auf einem Stuhl zu sitzen.
»He, du sagst ja nichts.«
Der Templer holte tief Luft. Danach sagte er: »Was hat die letzte Bemerkung zu bedeuten?«
»Wie ich schon sagte, deine Frau ist auf dem Weg zu uns.«
»Nein, sie ist einkaufen.« Er wusste selbst, dass seine Antwort alles andere als überzeugend klang.
Cassel schnalzte mit der Zunge. »Sie war einkaufen, mein Lieber. Ich kann dir sogar verraten, welche Geschäfte sie besucht hat. Aber das ist sie nicht mehr. Sie befindet sich auf dem Weg zu uns, um sich das anzusehen, was ihr Mann in seinem ersten Leben auf dem Hügel Golgatha gefunden hat.«
»Es wird sie nicht interessieren.«
»Kann sein, aber dich sollte es interessieren. Wenn du den Extrakt sehen möchtest, musst du zu uns kommen. Dann kannst du auch deine Frau wieder in die Arme schließen.«
Nein! Nein! Das kann nicht stimmen! Ich muss mich verhört haben! Das ist niemals wahr und …
»Hast du mich nicht verstanden?«, säuselte Cassel. »Habe ich nicht laut genug gesprochen?«
»Doch, das haben Sie«, flüsterte Godwin. Er hatte plötzlich seine Frau vor Augen. »Was ist mit ihr? Was haben Sie mit ihr gemacht?«
»Ich nichts. Sie ist auf dem Weg zu mir.«
»Und wo ist das, verdammt?«
»Ach, mein lieber Freund. Plötzlich so kompromissbereit? So kenne ich dich gar nicht. Seltsam …«
»Was ist mit Sophie?«
»Ich werde dich wieder anrufen, wenn sie bei mir ist. Mach dich schon mal reisefertig.«
So wollte Godwin Cassel nicht davonkommen lassen. Er setzte zu einem Wortschwall an, musst jedoch einsehen, dass ihn der Mann nicht mehr hören konnte.
Die Leitung war tot.
Und so ähnlich fühlte sich der Templer auch …
***
Eine Minute später saß er noch immer auf seinem Platz. Er hatte sich nur umgedreht und starrte den Knochensessel an, der vor dem Fenster stand, als könnte ihm dieser einen Rat geben.
Das war nicht möglich. Der Sessel war kein Mensch, auch wenn er mal aus den Gebeinen eines Menschen entstanden war.
Es war still um ihn geworden. Aber der Templer gab so leicht nicht auf, so schlimm die Lage auch sein mochte. Allerdings hatte sich hier etwas verändert. Es ging nicht um ihn selbst, sondern um seine Frau Sophie, die er von ganzem Herzen liebte. Beide hatten sich wirklich gesucht und gefunden, und er dachte wieder an das ungute Gefühl, das er gehabt hatte, was Sophies Einkauf anging. Daran konnte er jetzt nichts mehr ändern.
Reisefertig machen sollte er sich.
»Okay, ich werde mich reisefertig machen«, flüsterte er vor sich hin und stand auf.
Im Schlafzimmer zog er sich an. Er stieg auch in die dicken Schuhe und bewaffnete sich. Aus einem Geheimfach holte er seine Pistole hervor, eine Glock, steckte auch Ersatzmagazine ein und band ein Messer mit Klettverschluss um seine linke Wade.
So war er gerüstet. Aber es fehlte noch etwas, und den Gegenstand holte er aus seinem Arbeitszimmer. Es war der Würfel des Heils, den er hin und wieder als Orakel bezeichnete. Er zeigte ihm dann und wann eine Gefahr, die im Anmarsch war, doch Godwin glaubte nicht daran, dass ihm der Würfel in diesem Fall helfen konnte. Da ging es nicht um ihn, sondern um seine Frau.
Die Gedanken drehten sich nicht allein um Sophie. Er dachte auch einen Schritt weiter und ging davon aus, dass die andere Seite sie trotz der Entführung nicht töten würde. Cassel wollte ihn, und erst wenn er sich in der Nähe des Mannes befand, musste er sich Gedanken um Sophies und sein Leben machen.
Und dann gab es noch diesen Extrakt. Schon damals hatte Godwin gewusst, dass es sich um etwas Besonderes handeln musste, doch dass jemand so verrückt danach sein konnte, das hatte er sich nicht vorstellen können.
So einfach verschwinden konnte er auch nicht. Er musste
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