1706 - Lockvogel der Nacht
angestellt hatte, und auf dieses Schicksal konnten sie gut und gerne verzichten.
Sie stellte einen Fuß auf seinen Bauch. »Wie war das mit Mallmann? Ich höre.«
»Es ist nicht vorbei mit ihm!«
»Das ist mir neu. Ich habe Zeit. Rede!«
Hellman verzog das Gesicht. Er keuchte. Er suchte nach Worten. Er kam der Vampirin vor wie jemand, der nicht viel wusste und das Wenige auch noch nicht richtig ausdrücken konnte.
»Es wird noch in dieser Nacht passieren.«
»Okay. Was denn?«
»Mallmann. Wir – wir können Hoffnung schöpfen. Ein offener Kreis wird sich wieder schließen. Die Macht wird wieder da sein.«
»Aha, und das wirst du sein? Zusammen mit deinen komischen Gestalten hier?«
»Wo denkst du hin?«, spie er aus. »Doch nicht ich! Da gibt es ganz andere, glaub mir das.«
»Und wer?«
»Er ist bestimmt schon da. Einer, der im Hintergrund lauert. Dem man nicht entkommen kann.«
Sie verstärkte den Druck. »Ich will den Namen hören, und zwar auf der Stelle! Wenn nicht, werfe ich dich ins Feuer. Es braucht sowieso wieder Nachschub.«
Nicht Hellman antwortete. Es war eine andere Stimme. Oder auch zwei, die schrien.
Die Vampirin wusste sofort, dass es kein Ablenkungsmanöver war. Sie drehte sich etwas nach rechts, schaute an den Gestalten vorbei und erkannte, dass dieser Schrei nicht grundlos ausgestoßen worden war.
Im Hintergrund, wo sich die Wand aus Buschwerk befand, hatte sich etwas getan. Da war von der Natur nichts mehr zu sehen, denn dort lauerte eine pechschwarze breite Wolke, die sich langsam auf die Blutsaugerin und die Halbvampire zuschob …
***
Wir hatten uns in den letzten Tagen daran gewöhnt, und trotzdem war es ärgerlich, jeden Morgen in die gleiche Situation zu geraten. Es lag am Wetter, dass die Staus in London noch länger waren. Hinzu kam die Vorweihnachtszeit, in der nur wenige Menschen Urlaub hatten, und so konnte man die Mobilität innerhalb der Riesenstadt vergessen.
Dennoch mussten wir ins Büro, und trotz allem hatten wir uns für den Rover entschieden. Es war sogar dringend, dass wir unsere Dienststelle erreichten, das hatten wir bereits durch einen Anruf unserer Assistentin Glenda Perkins erfahren, die mich auf meinem Handy erwischt hatte, nachdem wir aus der Garage gefahren waren.
»Wenn’s geht, so schnell wie möglich kommen.«
»Aha. Und wer will was von uns?«
»Wer wohl?«
»Wartet Sir James bereits?«
»Nein, er ist noch nicht da. Er hat mich nur angerufen. Aber seine Stimme klang so, dass ich am besten abgehauen wäre. Jedenfalls will er euch so schnell wie möglich sehen.«
»Gut, wir sind unterwegs.«
»Und wo seid ihr?«
»Vergiss es. Aber eines möchten wir trotzdem wissen. Wie schaffst du es immer, so pünktlich zu sein?«
»Das, John, ist und bleibt mein Geheimnis. Es muss ja schließlich jemand die Stellung halten.«
»Das stimmt allerdings. Dann bis gleich.«
Suko, der mal wieder den Rover lenkte, weil er mehr Geduld aufbrachte als ich, hatte mitgehört.
»Das riecht nach Ärger«, meinte er.
»Denke ich auch. Ich frage mich allerdings, was den Alten so sehr auf die Palme gebracht haben könnte.«
»Keine Ahnung.«
»Was hatten wir denn in der letzten Zeit?«
Ich dachte kurz nach. »Da war der Fall mit dem Spuk …«
»Der noch am Schwelen ist«, meinte Suko. »Er hat die Halbvampire geholt.«
»Was nicht schlecht ist, wenn sie für immer in seinem finsteren Reich bleiben.«
»Für immer?«
Ich hob nur die Schultern und schaute auf die beiden Wischer, die mal wieder die Scheibe reinigten, nachdem sie bespritzt worden war. Er war für uns leicht frustrierend, wie der letzte Fall abgelaufen war. Aber wir hatten nichts machen können. Da war der Spuk aus seiner Versenkung aufgetaucht und hatte mich auf seine ganz eigene Art und Weise wieder an Dracula II erinnert, dessen Körper ja vernichtet worden war, sein Geist oder seine Seele aber nicht, denn die befand sich im Reich des Spuks. [1]
Das hatten wir hinnehmen müssen und es auch getan. Da sollten sie meinetwegen bleiben, doch ich hatte mal wieder ein ziemlich ungutes Gefühl, ohne darüber allerdings mit Suko gesprochen zu haben. Man sollte auch nicht die Pferde scheu machen.
Gegen Staus hilft nur gute Laune. Ich hoffte, dass es mir gelang, sie durch Musik zu bekommen. Im Radio fand ich einen Sender, der Oldie-Hits spielte, und das von Gruppen, die auch noch als coole Rentnerband auftraten.
»Die Stones?«, fragte Suko, der auf diesem Gebiet nicht ganz so bewandert war.
»Ja.
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