1712 - Verflucht bis in den Tod
ist gut. Und noch etwas, John. Ich glaube nicht, dass ihr gesamter Körper kugelfest ist. Wir sollten mal auf ihren Kopf zielen, vielleicht bringt uns das weiter …«
***
Die, von der wir gesprochen hatten, war ebenso fasziniert von dem unheimlichen Vorgang wie der im Rollstuhl sitzende Wladimir Golenkow. Aus dem Unterteil erhob sich eine Gestalt. Ob es sich dabei um Rasputin handelte, wusste der Agent nicht, aber er konnte sich der Faszination nicht entziehen.
Die Hand blieb noch für eine Weile an dieser Stelle. Es schien, als hätte derjenige, dem sie gehörte, die Kraft verloren. Das allerdings war ein Irrtum. Die Hand zuckte plötzlich, die steifen Finger gerieten in Bewegung, und Wladimir ahnte, dass sich irgendwo Muskeln anspannten. Er rechnete auch damit, dass eine zweite Hand als Unterstützung erscheinen würde, was nicht eintrat, denn der eine Griff reichte aus, um den Körper in die Höhe zu drücken.
Das sah auch Chandra. Sie konnte nicht mehr an sich halten. Aus ihrer Kehle drang ein leiser Schrei, den auch Wladimir hörte. Es war ein Laut des Jubels und der Überraschung, denn endlich hatte sie ihr Ziel erreicht.
Die Gestalt kam, und die Spannung bei Golenkow verstärkte sich noch. Er kam sich vor, als wäre er zu einer Steinfigur geworden. Äußer- und innerlich schien er erstarrt zu sein, und sein Blick war auf die Gestalt gerichtet, von der er jetzt nicht nur die Hand sah. Ein Arm war erschienen, ein nackter Arm mit einer Haut, die grau und auch leicht bläulich schimmerte, als wäre sie verbrannt.
Auch die Schulter, von der im ersten Moment nur ein Teil zu sehen war, sah nicht anders aus. Das war für Golenkow nicht wichtig. Er dachte an etwas Besonderes, denn jeder Mensch hat einen Kopf mit einem Gesicht. Und das war auch bei dieser Gestalt nicht anders. Davon ging er aus.
Rasputin ließ sich Zeit. Alles ging nur langsam vor sich. Er gab keinen Laut von sich, als er sich weiterhin in die Höhe stemmte. Wie nebenbei nahm Golenkow wahr, dass der Körper fast nackt aussah, dann richtete er sein Augenmerk auf das Gesicht, das menschlich war, aber so anders aussah, weil es in den Flackerschein der Kerzen geraten war.
Er wusste nicht genau, wie alt Rasputin gewesen war, als der Tod ihn ereilt hatte. Jedenfalls hätte er nicht so aussehen dürfen wie heute, denn sein Körper war nicht verwest. Da hing keine Haut in Fetzen, da sah er keine Knochenteile bleich hervorragen. Stattdessen schaute er in ein etwas wulstiges Gesicht mit einer dicken Nase, einem breiten Mund und in Augen, die ohne Farbe und blicklos waren.
Gerade deshalb konnten sie Angst machen. Er wusste nicht, ob es Pupillen gab, jedenfalls empfand er die Augen als starr und weißgrau.
Mit einem letzten Ruck bewegte er sich so weit, dass er eine aufrechte Haltung einnehmen konnte. Noch in diesem Steinsarg stehend fing er an, sich zu bewegen. Seine Schultern zuckten, er ging leicht in die Knie und richtete sich sofort danach wieder auf. Man konnte diese Bewegungen als eine Art Gymnastik ansehen, die eine vom langen Liegen steife Gestalt wieder fit machen sollte.
Dann stand sie. Sie drehte sich auf der Stelle, um sich einen Überblick zu verschaffen. Die Flammen blieben nicht still. Sie schufen immer wieder neue Muster, die über die Gestalt huschten und sie noch schauriger aussehen ließen.
Aber Wladimir stellte auch fest, dass sie sich nicht unbedingt für ihn interessierte, und er wartete darauf, dass sie das Unterteil verließ.
Mit langsamen Bewegungen geschah dies, und sie stellte sich so hin, dass sie Chandra anschaute.
Die konnte sich nicht mehr beherrschen. »Endlich, endlich bist du da! Du bist Rasputin!«
Es folgte ein Nicken.
»Und du hast wirklich überlebt?« Sie schien es nicht glauben zu können und musste sich noch mal vergewissern.
»Du siehst es.«
»Wie«, flüsterte sie, »wie ist das möglich? Bitte, ich möchte es wissen …«
»Nein, es ist mein Geheimnis. Aber ich kann dir sagen, dass es einen besonderen Trank gab, den ich habe zu mir nehmen müssen. Es ist ein Trank, den ich selbst hergestellt habe. Das Elixier des Lebens. Der Trank, der den Tod besiegt. Ich als mächtiger Magier und Zauberer bekam das Rezept direkt aus der Hölle. Es hat mich unsterblich gemacht. Es wurde alles versucht, mich zu töten. Es hat nicht geklappt. Ich bin einfach besser.«
»Ja, das bist du. Und jetzt bist du wieder zurück. Wir warten auf dich, und ich kann dir sagen, dass es noch viele Menschen gibt, die an dich
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