1713 - Carlotta und die Vogelmenschen
entdecken.
»Da!«, flüsterte sie und zerrte Johnny herum.
Jetzt schaute auch er in die Richtung und sah das, was Carlotta gemeint hatte.
Weiter vor ihnen und mehr in der Tiefe des Waldes flackerte ein Licht …
***
Im ersten Moment waren sie sprachlos, denn damit hatten sie nicht gerechnet. Und sie erkannten schnell, dass dieses Licht nicht von irgendeiner Lampe stammte. Es bewegte sich, es flackerte, es schwang hin und her, und das wies darauf hin, dass sie es mit Fackeln zu tun hatten.
Es gab nicht nur eine Lichtquelle, sondern gleich mehrere, und sie bewegten sich hintereinander, sodass sie zu dem Schluss kommen mussten, es hier mit einer Prozession zu tun zu haben.
»Wahnsinn«, flüsterte Johnny. »Was ist das? Das sind doch keine Vögel, die auf zwei Beinen laufen.«
»Bestimmt nicht.«
Sie wussten auch nicht mehr zu sagen, und es blieb ihnen nichts anderes übrig, als abzuwarten.
In der Dunkelheit war die Entfernung zwischen ihnen und den Lichtern nur schwer zu schätzen. Sie hörten jedenfalls nichts. Keine Stimmen, kein Gesang, nicht das Knirschen von hart gefrorenem Schnee, kein Laut oder Geräusch wehte in ihre Richtung. So erlebten sie eine stumme Wanderung durch den Wald.
Carlotta fragte: »Hast du einen Verdacht, wer sich dort bewegen könnte?«
»Nein.«
»Aber es sind Menschen.«
»Klar.«
Carlotta räusperte sich. »Ich frage mich nur, wohin sie wollen.«
»Das finden wir heraus. Endlich haben wir unser Ziel. Ist doch stark, denke ich.«
»Ja, aber auch gefährlich. Ich glaube nicht, dass diejenigen da hinten erfreut sein werden, wenn sie uns sehen.«
»Das wird nicht passieren. Wir schleichen uns an. Ich denke, dass sie ein Ziel haben.«
»Und wo?«
»Weiß ich nicht.«
»Hast du schon daran gedacht, ob es eine Verbindung zwischen den Leuten und den großen Vögeln gibt?«
»Gedacht schon, aber ich sehe keine.«
»Okay, dann lass uns gehen.«
»Warte noch einen Augenblick.« Da sich die Leute langsam bewegten, wollte Johnny sie zählen. Er schaute auf die Flammen, die über den Köpfen der Fackelträger huschten, aber sie waren manchmal so dicht beisammen, dass sich zwei von ihnen zu einer Flamme vereinigten.
»Zehn sind es bestimmt.«
»Na denn. Fast ein Dutzend Gegner. Ich denke, dass das zu gefährlich für uns ist.«
»Sie müssen uns ja nicht entdecken.«
»Schon gut.«
Noch warteten sie. Erst als die letzte Gestalt sie quasi passiert hatte, setzten sie sich in Bewegung. Diesmal mussten sie quer in den Wald hinein und hatten den Vorteil, dass es immer wieder größere Lücken zwischen den Bäumen gab, sodass sie recht gut vorankamen.
Und sie behielten die Fackelträger im Auge. Johnny dachte daran, dass es durchaus möglich war, dass zwischen ihnen und den großen Vögeln ein Zusammenhang bestand.
Sie hörten nichts. Die Gruppe sprach nicht miteinander. Stur gingen sie ihren Weg auf ein bestimmtes Ziel im Wald zu.
Johnny und Carlotta sorgten dafür, dass die Entfernung zwischen ihnen stets gleich blieb. Manchmal hatten sie den Eindruck, den Pechgeruch der Fackeln riechen zu können.
Johnny hatte die Führung übernommen. Auf seine Lampe verzichtete er, obwohl es besser gewesen wäre, hätte er den Untergrund vor ihnen abgeleuchtet. So sackten sie manches Mal ein und stolperten auch über irgendwelchen Baumwurzeln, die unter der Schneedecke nicht zu erkennen waren.
Übergangslos blieb Johnny stehen und flüsterte über die Schulter: »Sie sind am Ziel!«
»Wirklich?«
»Sie gehen nicht weiter, schau selbst.«
In der Tat hatten sie angehalten, aber nur für einen Moment. Dann bewegten sich die Fackeln wieder, aber diesmal gingen die Personen nicht voran, sondern bildeten einen Kreis.
»Da haben wir ja Glück gehabt!«, zischelte Johnny.
»Das wird sich noch herausstellen.«
»Sei nicht so pessimistisch.«
»Bin ich nicht. Ich kann mich immer nur erst freuen, wenn eine Sache gut beendet wurde.«
»Stimmt auch wieder.«
Beide warteten, weil sie sehen wollten, ob sich noch etwas ereignete.
Im Moment nicht, und auch gut zwei Minuten später hatte sich nichts verändert. Die großen Vögel ließen sich ebenfalls nicht blicken, was den beiden heimlichen Beobachtern sehr zupass kam.
Sie wollten nicht länger warten, und das Vogelmädchen fragte Johnny: »Hast du einen Plan?«
»Ja. Ich will näher ran. Ich will sehen, warum sie an dieser Stelle angehalten haben und was sie jetzt vorhaben, denn ich glaube nicht, dass es das Ende ist. Wohl das Ende der
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