1714 - Der Cockpit-Dämon
ihren Hälsen am Nacken etwas passiert war, wussten sie, doch sie sahen nicht, was da geschehen war. Nur die Nachwirkungen spürten sie. Der große Schmerz war zwar vergangen, nicht aber das scharfe Ziehen.
So starrten zwei Augenpaare auf die Monitore. Sie sahen das normale Bild der Flugbewegungen, aber sie nahmen es nicht auf wie sonst.
Wer die beiden Eindringlinge waren und woher sie kamen, war ihnen nicht bekannt. Sie redeten in ihrer Sprache, obwohl ihre Stimmen schon fremd klangen, als würden Roboter reden.
Sie hatten sich auch nicht gesetzt. Wie zwei Säulen standen sie hinter den Lotsen und schauten durch die große Scheibe hinaus auf das Rollfeld. Eine Maschine würde starten, sie war bereits aus dem Hangar geholt worden und stand an ihrem Platz. Jetzt musste sie nur noch beladen werden.
Auch das würde bald passieren, und dann sollte sie starten, und aus dem Tower würde der Pilot seine Anweisungen bekommen, die er umsetzen musste.
Die Fluglotsen gehörten unterschiedlichen Generationen an. Raymond Carter war ein Mann, der die fünfzig schon überschritten hatte. Ein alter Hase, der auch schon seine Jahre auf dem Londoner Airport Heathrow abgesessen hatte.
Sein Kollege Phil Snider war jünger. Er befand sich praktisch noch in der Ausbildung. Er sollte sich hier im Tower seine ersten Sporen verdienen.
So unterschiedlich beide Männer auch waren, im Augenblick ging es ihnen gleich schlecht. Man hatte ihnen mitgeteilt, dass die beiden Typen nicht allein waren. Andere hielten den Flugplatz besetzt, waren aber für sie nicht zu sehen. Den Beweis wollten sie auch gar nicht haben, sie glaubten den beiden auch so.
Carter, dessen Haar grau geworden war, hielt es nicht mehr länger aus. »Okay«, sagte er, »wir wissen, dass ihr hier das Sagen habt. Aber was habt ihr vor?«
»Dass ihr ruhig seid.«
»Das sind wir.«
»Schön. Dann könnt ihr in absehbarer Zeit Feierabend machen, dann sind wir nicht mehr hier. Wir werden die Frachtmaschine besteigen, die bald startet, und ihr werdet euren Job gut machen und vor allen Dingen keine Warnungen absetzen, denn ihr müsst immer daran denken, dass nicht wir die Maschine fliegen, sondern Kollegen von euch. Und ihr wollt doch nicht an deren Tod eine Mitschuld tragen?«
»Ja, ich habe verstanden.«
Auch Phil Snider hatte die Unterhaltung gehört. Er fasste sich ein Herz, um eine Frage zu stellen.
»Wer seid ihr denn? Menschen?«
»Das müsstest du doch sehen.«
Snider war noch nicht zufrieden. »Und wo kommt ihr her?«, flüsterte er. »Ihr seid alles andere als normale Menschen. So was wie euch sieht man nur im Kino.«
Er erntete ein Lachen und danach eine Erklärung, die ihn auch nicht weiterbrachte.
»Wir waren schon da, als es euch noch nicht gab. Das soll genügen.«
Beide Lotsen schauten sich an. Raymond Carter nickte seinem jüngeren Kollegen beruhigend zu. Er sollte den Mund halten und sich zusammenreißen.
Das fiel Snider schwer. Er rutschte unruhig auf seinem Sitz hin und her und atmete heftig.
»Bitte, Phil, bleib ruhig, auch wenn es dir schwerfällt.«
»Aber das hier ist doch unmöglich. Das kann man nicht hinnehmen, Ray.«
»Ich weiß, dass es Wahnsinn ist, aber damit musst du dich eben abfinden.«
»Ja, ja, aber was ist mit den Kollegen?«
»Das weißt du doch.«
Snider lachte. Dann hob er einen Arm an und strich über seinen Nacken. Nur sehr leicht, aber er zuckte zusammen, als er mit der Haut in Kontakt kam, denn die Schmerzen schossen wie kleine Blitze durch seinen Nacken. Und auch die Haut fühlte sich anders an. Sie war nicht mehr so glatt wie sonst, sondern hatte Wellen geworfen und sich zusammengezogen.
Es wäre für sie leicht gewesen, zum Telefon zu greifen und einen Alarm auszulösen. Aber sie waren nicht lebensmüde, denn man hatte sie gewarnt.
So blieb ihnen nichts anderes übrig, als vor ihren Monitoren sitzen zu bleiben und auf die Dinge zu warten, die unweigerlich kommen würden.
Raymond Carters Kehle war wie ausgetrocknet. Er griff nach der in der Nähe stehenden Wasserflasche und wartete ab, ob die beiden Bewacher etwas dagegen hatten.
Das hatten sie nicht, und so konnte er einige kräftige Schlucke nehmen. Sein Kollege schaute ihm zu. Schließlich griff auch er zu seiner Flasche und trank.
Die beiden Fluglotsen hatten ihre Headsets noch nicht aufgesetzt. Kontakt mit den Kollegen war so nur über die Telefonleitung möglich. Manchmal hatte es Raymond Carter schon in den Fingern gezuckt, nach dem Hörer zu greifen.
Weitere Kostenlose Bücher