1715 - Gewächs des Grauens
gesagt.« Jane hob die Schultern. »Ich denke, dass weitere Untersuchungen noch mehr Einzelheiten ans Licht bringen.«
»Und wer hätte dir dieses ungewöhnliche Geschenk schicken sollen?«
Jane sagte erst mal nichts. Auch sie saß jetzt und legte den Kopf zurück.
»Wenn ich das wüsste.«
Ich kannte die Detektivin schon über Jahre hinweg und auch gut genug. »Wenn ich dich so höre, hast du einige Probleme mit der Wahrheit, denke ich mal.«
»Wieso?«
Ich trank den Kaffee und musste zugeben, dass er mir schmeckte. Er war vielleicht eine Idee zu stark. »Ich entnehme das deiner Antwort. Darin lag so ein gewisser Unterton.«
Sie hob die Schultern.
»Wie sieht es mit einem Anhaltspunkt aus?«
Darauf eine Antwort zu geben hatte Jane Collins nur gewartet. Sie startete mit einer Gegenfrage. »Sagt dir der Name Aldo Makarew etwas?«
»Nein.« Meine Antwort hatte ich spontan gegeben, denn ich war mir sicher, dass ich den Namen nicht kannte. Allerdings klingelten in meinem Gehirn zahlreiche Glocken, denn dieser Name hatte sich russisch angehört. Und mit Russland hatte ich in der letzten Zeit nicht eben gute Erfahrungen gesammelt. Da brauchte ich nur an die Erben Rasputins zu denken – und an Chandra, die Kugelfeste.
»Was ziehst du für ein Gesicht, John? Ist dir doch etwas zu dem Namen eingefallen?«
»Nur am Rande. Ich habe an Russland gedacht und an das, was ich dort erlebte.«
»Okay.« Jane runzelte die Stirn. »Ich denke, dass du dieses Land vergessen kannst. Dieser Fall wird sich hier in London abspielen, und zwar bei einer Versteigerung.«
»Ach.«
Jane trank einen Schluck, stellte die Tasse zur Seite und kam endlich zur Sache.
Mein Part war es, zuzuhören, und das tat ich sehr intensiv. Es war nichts Schlimmes vorgefallen, zumindest nicht aus unserer Sicht, aber da gab es eine Macht, die nicht wollte, dass Jane eine bestimmte Ikone ersteigerte. Diesen Auftrag hatte sie von dem schon erwähnten Bischof Makarew erhalten.
»Jetzt weißt du Bescheid, John. Ich soll nur eine Ikone ersteigern. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Und deshalb hat man dein Auto in die Luft gejagt?«
»Das war erst der zweite Schritt, zunächst hat man mich telefonisch gewarnt.« Sie hob die Schultern. »Ich denke noch jetzt darüber nach, ob ich diese Warnung hätte ernst nehmen sollen. Aber nachdem, was passiert ist, werde ich es wohl müssen.«
»Das denke ich auch.«
Sie legte den Kopf schief. »Mehr kann ich dir im Moment nicht sagen. Besonders nichts über das Objekt an sich. Ich weiß nur, dass es sich um eine Ikone handelt. Davon gibt es ja viele. Nur muss es hier ein besonderes Exemplar sein.«
»Das denke ich auch.«
»Und weiter?«
Ich musste lachen. »Sorry, aber mit Ikonen kenne ich mich wirklich nicht aus. Einige Grundbegriffe schon, aber das ist auch schon alles. Jedenfalls muss sie etwas Besonderes sein, und es gibt Leute, die nicht wollen, dass sie ersteigert wird, und zwar von dir im Auftrag des Bischofs Makarew.«
»Stimmt.«
Ich blieb beim Thema. »Wer ist dieser Bischof? Hast du über ihn Erkundigungen eingezogen?«
»Nun ja.« Sie lächelte verlegen. »Das hätte ich eigentlich tun müssen, habe es aber nicht getan. Ich wollte es, nur ist mir etwas dazwischen gekommen.«
»Wann hättest du es denn tun wollen?«
»Nach dem Essen. Ich war ja auf dem Weg dorthin, da hätte ich mal ins Internet geschaut. Der Bischof wird Chef der Orthodoxen hier in London sein.«
»Das wäre möglich.«
»Mehr weiß ich auch nicht. Nur, dass sein Honorar nicht eben niedrig war. Ich hatte es schon als Spende für eine Kinderkrebsklinik vorgesehen und möchte die Menschen dort nicht enttäuschen, denn ich habe ihnen die Summe bereits anvisiert.«
»Das heißt, du machst weiter und ignorierst die Warnung einfach.«
»So ist es.«
Ich schaute sie an, verzog meine Mundwinkel und sagte mit leiser Stimme: »Und du hast daran gedacht, dass ich dir dabei zur Seite stehen werde.«
»Bingo.«
»Und weiter?«
»Sollte es dir dein Job erlauben, würde ich dich bitten, mich zu dieser Auktion zu begleiten.«
Mein Lachen klang echt. »Sehr gut, wirklich. Dabei hat mein Entschluss schon festgestanden. Ich bin dabei. Wann soll die Versteigerung beginnen?«
»Morgen. Pünktlich morgens um zehn Uhr.«
»Ich bin dabei.«
»Danke. Und du musst deshalb keinen anderen Einsatz absagen?«
»Nein. Bisher lag nichts an. Und wenn, dann gibt es ja noch Suko, der sich darum kümmern kann.«
»Stimmt auch wieder.«
Ich trank
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