172 - Der Spinnenfürst
Dämonenbildes so viel Energie heraufbeschwor, daß das Gemälde daran Schaden nehmen konnte und dann nicht mehr zu gebrauchen war.
Und zu guter Letzt wußte Courtney Yates nicht einmal, wie ihm so ein Magieschock bekommen würde.
Er stand vor einer schwierigen Entscheidung.
Sollte er Timothy Montell aufgeben oder um jeden Preis zu retten versuchen? Sollte er bewußt das Risiko eingehen, alles, was er mühsam aufgebaut hatte, zu verlieren? Und unter Umständen sogar daran zu sterben?
Er wollte es wissen, wollte den Schritt über die Grenzen, die ihm derzeit bekannt waren, hinaus wagen. Nur mit Mut erfuhr er, was jenseits dieser Grenzen lag.
Vielleicht noch viel mehr – die absolute Erfüllung.
In diesem Augenblick fiel die Entscheidung. Er würde es tun, er würde das Höllenbild aktivieren.
***
Brüllend barst ein großer, bauchiger Behälter und schleuderte mir Hitze und giftige Schwaden entgegen. Ich verlor das Gleichgewicht und stürzte.
Der Boden unter mir dröhnte dumpf, und ich spürte ein leichtes Vibrieren. Das konnte nur bedeuten, daß sich unter mir ein Hohlraum befand.
Hastig tastete ich den Boden ab, fand einen Griff, richtete mich auf und zog ihn hoch. Ein dunkles Maul tat sich vor mir auf, zahnlos, bereit, mich aufzunehmen und zu verschlingen.
Alles war besser, als zu ersticken und zu verbrennen.
Ich schob meine Beine in das Geviert und fand Halt auf der obersten Sprosse einer Leiter. Während das Krachen und Splittern immer lauter wurde und in immer kürzeren Abständen erfolgte, kletterte ich in den engen Schacht hinunter.
Ich erreichte das Ende der Leiter, und daneben befand sich ein waagerechter Stollen, durch den ich gebückt lief. Das Rauschen und Plätschern von Wasser kam mir entgegen, und ein bestialischer Gestank empfing mich.
Erstunken war noch niemand, erstickt waren hingegen schon viele. Ich versuchte, den Geruch wenigstens einigermaßen zu ignorieren.
Es war trotz allem wenigstens Luft, die mich nicht umbrachte, wenn ich sie einatmete.
Wieder eine Leiter, und dann befand ich mich in einem ovalen Stollen, durch den in einer tiefen Rinne die Kloake floß.
Ihr Ziel war die Themse.
Ich wollte jedoch nicht bis zum Fluß hinunterlaufen, sondern das Kanalsystem nach Möglichkeit schon viel früher verlassen.
Vor mir hüpften Ratten über den feuchten, glitschigen Boden, und als sie merkten, daß sie nicht schnell genug von mir fortkamen, retteten sie sich ins Wasser, das sie mit hochgestreckten Schnauzen durchschwammen.
Ich fand einen Ausstieg und kletterte über rostige Sprossen nach oben. Vorsichtig stemmte ich den Gullydeckel hoch und sah mich um. Kein Mensch war in der Nähe, die Gelegenheit war günstig, Londons »Unterwelt« zu verlassen.
Als ich den Gullydeckel schloß, hörte ich die Signale der Feuerwehr.
Löschtrupps waren zum brennenden, explodierenden und mörderische Dämpfe ausstoßenden Chemikaliendepot unterwegs.
Über den Häusern war der abendliche Himmel von rotem Feuerschein erhellt. Dorthin mußte ich, denn dort stand mein Rover. Zum Glück hatte ich das Fahrzeug nicht unmittelbar vor dem Gebäude abgestellt, so daß ich es nun ungehindert erreichen, einsteigen und abfahren konnte, während der Löschtrupp, mit Gasmasken geschützt, dem Feuer zuleibe rückte.
Ich fuhr nicht weit, stellte den Rover in der Kurzparkzone vor der Waterloo Station ab und suchte die nächste Telefonzelle auf. Augenblicke später wühlte ich mich durch das Telefonbuch und hoffte, Dennis Ryans Adresse zu finden.
Es gab einen Cyrus Ryan, einen Dorian Ryan, einen Floyd Ryan, aber keinen Dennis Ryan. Verdammt, der Knabe hatte kein Telefon, aber wohnen mußte er irgendwo, und das würde ich in dem Lokal erfahren, in dem ich ihn kennengelernt hatte.
Ich mußte ihn haben. Er war entweder ein Mörder oder der Komplize eines Mörders. Noch einmal würde er mich nicht hereinlegen, das stand fest.
Ich war entschlossen zurückzuschlagen, und das würde Dennis Ryan bestimmt nicht bekommen.
Ich kehrte zu meinem Rover zurück und stieg ein. Da die Benzinanzeige schon fast auf dem kritischen Bereich stand, hielt ich an der nächsten Selfservice-Tankstelle und gab meinem Rover zu trinken. Den Rechnungsbetrag beglich ich mit meiner Kreditkarte, und dann ging es zurück zum Pub.
Als ich ausstieg, spürte ich keine Nachwirkungen des Schlages mehr. Es war nicht das erstemal gewesen, daß mir so etwas passierte. Mit der Zeit härtet einen das ab.
Es wäre der Gipfel der Kaltschnäuzigkeit
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