1721 - Verschwunden in der Höllengruft
denn dort befand sich die Wand.
Sein offener Mund bewegte sich zuckend, mal stand er weit auf, dann schloss er sich. Das offen zur Schau getragene Kreuz musste ihm körperliche Schmerzen zufügen.
»Nimm es weg«, brüllte er, »nimm es weg, verdammt noch mal!« Er hatte die Worte unter großen Mühen geschrien, zuckte noch immer – und brach zusammen, als hätte ich ihm die Beine unter dem Körper weggetreten.
Auf dem harten Steinboden blieb er liegen und krümmte sich dort wie ein Wurm. Er zog die Beine an und seine Hände umklammerten beide Knie.
Sein Schreien wurde jetzt leiser. Es ging über in ein Wimmern. Ich stand neben dem Mann, der mir plötzlich so leid tat, weil er in eine dämonische Falle geraten war und nun auf dem Boden lag und einen hohen Tribut zahlen musste.
Noch lag er auf der Seite. Dann schleuderte er sich mit einer schnellen Drehung auf den Rücken, sodass er in die Höhe schaute und dabei in mein Gesicht.
Ich nahm das Kreuz weg. Es hatte sich tatsächlich erwärmt, aber kein Licht abgegeben. Zudem wollte ich Simon Cooper nicht noch mehr foltern.
Sein Jammern wurde leiser. Er lag im Schatten, denn das rote Licht erreichte ihn nicht mehr. Ich musste schon sehr genau hinschauen, um zu sehen, was mit seinem Gesicht passierte.
Es veränderte sich.
Ich holte die Lampe hervor, weil ich es jetzt genauer sehen wollte. Ja, er musste einen grausamen Tribut zahlen für das, was ihm angetan worden war.
Sein Gesicht – sowieso schon gezeichnet – fing an, sich zu verändern.
Da gab es plötzlich Blasen, die entstanden, als wäre die Haut eine Wasserfläche. Blasen zerplatzten, als sie den Druck bekommen hatten und dabei eine Flüssigkeit abgaben, die tatsächlich wie eine starke Säure wirkte.
Das Zeug vernichtete das Gesicht. Was noch an Normalität vorhanden gewesen war, wurde aufgefressen. Ich kannte so etwas und hatte es manches Mal bei einem alten Vampir erlebt, wenn der ins Licht der Sonne geriet und dabei seine Haut verlor.
So war es hier auch. Nur zerfiel Simon Coopers Gesicht nicht zu Staub, es war eine weiche Masse aus Haut, Blut und auch Sehnen, die sich zu beiden Seiten des Kopfes ausbreitete.
Ich richtete mich auf und drehte mich zur Seite. Nein, das wollte ich nicht unbedingt sehen, aber ich würde mich nicht ausruhen können, denn es ging weiter.
Mein nächstes Ziel war das Loch, in das ich hatte springen sollen. Ich blieb dem Loch ein Stück fern, konnte allerdings noch hineinschauen und stellte fest, dass sich die Masse nicht verändert hatte. Noch immer erinnerte sie mich an Lava, aber sie war nicht heiß, sie gab nur eine rote Glutfarbe ab – und war in Bewegung geraten, denn jetzt geschah etwas, womit ich nicht hatte rechnen können.
Die Masse drehte sich, sie erzeugte eine Zentrifugalkraft, und durch diese kreisförmigen Bewegungen gelang es ihr, an den Wänden langsam in die Höhe zu steigen.
Mein nächster Gegner war schon auf dem Weg!
***
Es war eine ziemlich weite Strecke, die Jane und Suko zurücklegen mussten, zwar nicht quer durch London, aber nahe lagen die beiden Punkte nicht zusammen. Hinzu kam der Verkehr, der in London nie gering war und eigentlich auch nie abriss.
Sie hatten einen Ersatzwagen genommen. Um schneller voranzukommen, fuhren sie mit Blaulicht, was für den Fahrer eine noch stärkere Konzentration bedeutete.
Im Gegensatz zu Jane Collins konnte sich Suko keine Nervosität erlauben. Er blieb hoch konzentriert. Jane aber musste etwas tun. Sie konnte einfach nicht starr neben dem Fahrer sitzen bleiben und war froh, dass es die Mobiltelefone gab.
Sie wollte John Sinclair erreichen und versuchte es immer wieder, doch es hatte keinen Sinn. Sie bekam keinen Kontakt, und das ärgerte sie.
»Es lohnt nicht«, kommentierte Suko, dem die Bemühungen der Detektivin nicht entgangen waren.
»Abwarten, ich kann zudem nicht ruhig neben dir sitzen und nichts tun. Das macht mich verrückt.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Trotzdem will ich was unternehmen und werde noch mal anrufen.«
»Lohnt sich das?«
»Ich denke an Glenda.« Sie zuckte mit den Schultern. »Kann ja sein, dass sich John gemeldet hat.«
»Ja, versuch es mal.«
Jane hatte selbst nicht viel Hoffnung, aber sie musste sich beschäftigen. Sie stand unter Druck, und das Kribbeln auf ihrer Haut wollte nicht aufhören.
Glenda meldete sich schnell. Jane sagte ihr, was sie wollte, und hörte von ihr, dass sie nicht helfen konnte.
»Nein, John hat nicht angerufen.«
»Mist.«
»Warum?
Weitere Kostenlose Bücher