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1722 - Abrutians Boten

Titel: 1722 - Abrutians Boten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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nicht besiegen! Sprich zu uns!"
    Deutlich sah er, wie sein Gebrüll die Struktur des Himmels erschütterte.
    Saedelaere vermutete, daß die Schüssel von einer Art immaterieller Membran überzogen war, die auf Laute reagierte.
    Er konzentrierte sich darauf, den gesamten Turm um neunzig Grad zu kippen. Bevor er es jedoch tun konnte, hörte er von hinten ein Geräusch.
    „Nicht, Fremder! Laß das bleiben!"
    Saedelaere hielt inne. Er führte seine Absicht nicht mehr zu Ende. Im selben Moment stoppten die mentalen Übergriffe. Sie erhielten ihre volle Geisteskraft von einer Sekunde zur anderen zurück.
    Die Stimme hatte laut gesprochen. Und als sich der Terraner und die Immune langsam drehten, gewann der größte aus einer Menge von Schemen an sichtbarer Gestalt.
    Er verfestigt sich. Er wird körperlich!
    Ja, Ouidane.
    Aus der Luft schälte sich der Körper eines Barrayd.
     
    *
     
    Der andere trug einen dünnen Umhang und eine Art Schnürsandalen.
    Seine Lederhaut wies einen hellen, undefinierbar glänzenden Schimmer auf, der vielleicht vom goldenen Licht herrührte. Etwas kleiner als Ouidane war die Gestalt, dafür der Kugelschädel deutlich größer. Die Rorschach-Zeichnung im Gesicht ähnelte einem umgestürzten, zerbrochenen Gefäß.
    Saedelaeres Blick saugte sich zum Schluß an dunklen Augenhöhlen fest.
    Keinerlei Sehorgane; der Barrayd war blind. Saedelaere konnte nicht anders, als immer wieder in diese leeren Höhlen zu starren. Und dennoch fühlte er sich bis auf den Grund seiner Seele durchschaut. Auch wenn der Geisteslenker blind war; seinen fremdartigen Sinnen entging nicht das geringste Detail.
    „Mein Name ist Piior", sprach die Gestalt. Seine Worte klangen abgehackt, doch der Anzugtranslator übersetzte die Stimme als kraftvoll und selbstbewußt. „Ich bin der Geisteslenker der Quesch. Ich empfehle euch dringend, bewegt euch so wenig wie möglich! Speziell du, Fremder mit dem seltsamen Gesicht! Sonst zerstört ihr alles, was wir in Jahrmillionen aufgebaut haben. Versuch nie wieder, den Turm um 90 Grad zu kippen.
    Du würdest uns alle töten. Auch euch beide."
    Saedelaere hatte plötzlich feuchte Hände. Mit dem seltsamen Gesicht war als ehemaliger Maskenträger er gemeint. Das Cappin-Fragment war jedoch längst verschwunden. Wie konnte Piior davon wissen?
    Er brauchte eine ganze Weile, um die Worte zu verarbeiten.
    „Was von jetzt an passiert", sagte er, „hängt allein von deinem Verhalten ab, Piior. Ich bin hier, um offen zu reden. Erzähl mir von den Quesch. Und erkläre, weshalb du meine Leute nicht freiläßt. Solltest du dich weigern, zerstöre ich den Turm. Ich werde keine Hemmungen kennen."
    „Du tötest dich selbst."
    „Es ist meine Entscheidung."
    Die Lederhaut im Gesicht des Geisteslenkers verzerrte sich; Saedelaere zog aus Ouidanes Geist die Information, daß es sich um eine Grimasse der Wut handelte.
    „Wäre ich früh genug zurückgewesen, hättet ihr das Zentrum des Turms gar nicht lebendig erreicht! Und ihr wollt Forderungen stellen?"
    „So ist es!"
    Piior sagte eine ganze Weile kein Wort. Saedelaere spürte jedoch, wie sein Zorn in Hilflosigkeit, dann in Resignation umschlug. Die Machtverhältnisse waren eindeutig.
    „Nun gut... Du bekommst, was du willst."
    Allmählich entspannte sich der ehemalige Maskenträger. Piior hatte soeben zugegeben, daß er sich in ihrer Hand befand. Ihre Aktion diente ja nur dazu, ein Gespräch herbeizuführen, und dieses Ziel war so gut wie erreicht.
    So buchstabengetreu wie möglich befolgten sie die Weisungen des Geisteslenkers. In einer langsamen Bewegung knieten sie auf dem Boden nieder, machten sich wieder klein, gaben kaum Geräusche von sich.
    „Ihr könnt hier einen riesengroßen Schaden anrichten", äußerte Piior leise. „Deshalb ziehe ich es vor, mit euch zu verhandeln. - Auch mit dir, Immune... Was immer es sein mag, was dich hierhertreibt."
    Ouidane antwortete: „Ich bin hier, weil ich es für einen schrecklichen Fehler halte, die Terraner anzugreifen. Ich hatte keine andere Wahl, als mit dir selbst zu sprechen, Geisteslenker."
    „Und aus diesem Grund betrittst du einen Horchturm? Ist dir das Tabu nicht bekannt?"
    „Ich habe es ignoriert. Es war nicht anders möglich."
    „Das merke ich", gab der blinde Barrayd mit ätzendem Sarkasmus zurück. Sein Tonfall schien Ouidane so zu treffen, daß sie einen Meter weit zurückwich.
    Anschließend wandte er sich an Saedelaere, kaum freundlicher, aber mit wesentlich größerem Respekt.

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