1723 - Das Templer-Trauma
von meinem Zustand berichtet. Er hat sich dann bereit erklärt, mich in die Vergangenheit zu führen. Dass er Sie, zwei Polizisten, geholt hat, wundert mich schon.«
»Wahrscheinlich kam ihm ein Verdacht. Außerdem arbeitet er mit Scotland Yard zusammen, und sie dürfen ihn schon als einen seriösen Menschen ansehen.«
»Das weiß ich.«
»Und dann haben Sie sich gesehen?«
»Ja«, flüsterte sie über den Tisch hinweg, »das habe ich. Ich sah zwar nicht so aus wie jetzt, aber ich sah mich als Frau, die man eine Heilige nannte, aber trotzdem gehetzt wurde, durch die Bande, die sich den Kreuzfahrern angeschlossen hatte. Und ich musste fliehen. Aber ich wusste, wo ich sicher war.«
»Bei Godwin de Salier.«
»Ja, er war für mich ein Edelmann.«
»Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an ihn denken?«
Sarah Winter gab eine schnelle Antwort. »Nichts.«
»Ach.«
»Ja, das ist so. Mir kam nichts mehr in den Sinn.« Sie deutete gegen ihren Kopf. »Ich habe auch nichts von dem in meiner Erinnerung gespeichert. Es war plötzlich weg. Deshalb kann ich auch nicht viel darüber sagen.«
Wir glaubten, dass sie die Wahrheit sagte. Das hatten wir ja bei der Rückführung erlebt, die plötzlich und ohne Vorwarnung vorbei gewesen war.
Ich hatte mich in den letzten Minuten ruhig verhalten, das tat ich auch jetzt noch, aber ich hatte einen Entschluss gefasst, und den wollte ich nicht hier am Tisch in die Tat umsetzen. Deshalb entschuldigte ich mich und stand auf.
Suko ahnte, was ich vorhatte, und fragte: »Du willst jemanden anrufen?«
»Ja.«
Er zwinkerte mir zu. »Okay. Bestell auch Grüße von mir.«
»Mach ich.«
Ich verließ den Laden, weil ich keine Gäste durch mein Telefonat stören wollte.
Vor dem Café standen einige Tische, die allerdings besetzt waren. Ich verzog mich in eine ruhige Ecke und blieb neben einer Plakatsäule stehen.
Eigentlich hatte ich schon früher in Alet-les-Bains anrufen wollen, doch es war auch wichtig gewesen, erst Sarah Winter anzuhören. Jetzt war ich genug informiert.
Die Telefonnummer meines Templer-Freundes hatte ich gespeichert. Ich setzte darauf, ihn zu Hause zu erreichen, drehte dem Verkehr den Rücken zu und hörte schon bald eine warme und angenehme Frauenstimme. Sie gehörte Sophie Blanc, Godwins Frau.
»John Sinclair hier.«
Ich bekam den Ruf der Freude mit, und sofort erzählte Sophie davon, dass wir uns lange nicht gesehen hatten.
»Das stimmt. Möglicherweise lässt sich das bald ändern, aber darüber möchte ich mit deinem Mann sprechen.«
»Oh, das ist schlecht.«
»Warum?«
»Er ist nicht da.«
»Gut, wann kommt er wieder?«
»Das weiß ich nicht, John, denn er hält sich nicht mehr hier im Kloster auf.«
»Kannst du mir denn sagen, wo er steckt und ob ich ihn erreichen kann?«
»Ja. Er ist nicht mehr im Land. Er musste nach Deutschland, und zwar in den Schwarzwald.«
In meinem Kopf geriet irgendetwas in Bewegung. Ich wusste, dass Sarah Winter als Bettina damals auch im Schwarzwald gelebt hatte. War das ein Zufall?
»John, bist du noch dran?«
»Ja, das bin ich.«
»Jetzt klingst du sehr nachdenklich.«
»Das hat auch seinen Grund, Sophie. Ich will ja nicht neugierig erscheinen, doch ich habe meine Gründe. Kannst du mir erzählen, was ihn nach Deutschland getrieben hat?«
»Ja, ein seltsamer Anruf. Von einer gewissen Judith Bergmann, die Krankenschwester in einer psychiatrischen Klinik ist, in die auch ein Pater eingeliefert wurde …«
Was ich da so kompakt gehört hatte, war ein wenig viel für mich gewesen, ich bat Sophie, mir alles zu erzählen, was sich bei ihnen ereignet hatte.
Sie begann mit einer Frage. »Spüre ich da einen Zusammenhang zwischen dir und Godwin?«
»Das ist möglich. Nur brauche ich die Gewissheit von dir. Tu mir den Gefallen.«
»Sicher.«
Dann konnte ich nur noch zuhören und staunen. Wieder einmal musste ich erleben, wie eng bestimmte Schicksale miteinander verknüpft waren, und mir rann es kalt den Rücken hinab. Zum Schluss fragte Sophie Blanc: »Bist du jetzt schlauer?«
»Ja.«
»Aber was hat dich so interessiert?«
»Ich glaube jetzt fest daran, dass der Fall, an dem Suko und ich momentan arbeiten, etwas mit dem Fall zu tun hat, der deinen Ehemann betrifft.«
»Sag nur.«
»Ja, Sophie. Und jetzt tu uns beiden den Gefallen und hör mir mal genau zu.«
»Mach ich.«
Ich berichtete ihr, was Suko und mir widerfahren war und wie der Name Godwin de Salier plötzlich ins Spiel gekommen war.
»John, das ist
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