1723 - Das Templer-Trauma
dafür habe, glaube ich, dass Sie mit einem Geheimnis verbunden sind.«
»Aha. Und mit welchem?«
»Wenn ich das wüsste, wäre es ja kein Geheimnis mehr.«
»Ja, da haben Sie recht.« Er lächelte. »Aber so schlimm ist es nicht. Ich bin ein normaler Mensch, verheiratet, lebe in Südfrankreich in einem Kloster …«
Sie unterbrach ihn. »Und dann sind Sie verheiratet? Wie soll ich das verstehen?«
»Es ist eine Ausnahme.«
»Ja, das denke ich mir. Ich kenne ja Pater Gerold und kann mir nicht vorstellen, dass er verheiratet ist. Nein, das auf keinen Fall. Das wäre ja unmöglich.«
»Nicht bei mir.«
Judith Bergmann rümpfte die Nase. »Dann – dann sind Sie kein normaler Mönch.«
»Stimmt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Und leben trotzdem in einem Kloster«, murmelte sie. Damit war für sie das Thema erledigt. Sie blickte nach vorn, sah die Kuppen der Berge, das graue Band der Straße, die sich in weit gezogenen Kurven durch die Landschaft schlängelte, und freute sich über den blauen Himmel und die helle Sonne.
Wenn sie nach rechts blickte, kam bereits die Klinik in Sicht. Sie war in einen flachen Hang hineingebaut worden und von sattgrünen Wäldern umgeben.
Judith wies den Fahrer daraufhin. »Es führt gleich ein Weg rechts ab. So kommen wir zur Klinik.«
Dann sagte die Schwester nichts mehr. Sie wirkte in sich versunken, und auch als sie abbogen, kam kein Wort über ihre Lippen. Der Weg war schmal. Rechts und links von Wiesen gesäumt, die oft von Hecken begrenzt wurden. Ein schmaler Bach war zu sehen, der das Gelände durchfloss, das manchmal sanft anstieg und dann wieder abfiel. Wo die Sonne auf den Boden schien, hatten ihre Strahlen die Frühlingsblumen aus der Erde geholt, sodass die Wiesen einem Gemälde glichen, an dem sich das menschliche Auge nicht sattsehen konnte.
»Eine wirklich tolle Gegend, in der die Klinik liegt«, lobte Godwin.
»Finde ich auch. Hier haben unsere Patienten Zeit und Muße, sich zu erholen, und werden durch nichts abgelenkt.«
»Wie sehen denn die Erfolge aus?«
Die Krankenschwester hob die Schultern. »So genau kann ich das nicht sagen. Ich bin nicht für die Statistiken zuständig. Ich würde sagen mal gut, mal weniger gut.«
»Und was ist mit Pater Gerold?«
»Wie meinen Sie das?«
»Ist er ein hoffnungsloser Fall?«
»Das wage ich nicht zu beurteilen, wirklich nicht. Für mich ist er ein liebenswerter Mensch, der Visionen hat und auch etwas Konkretes sieht und davor warnt. Ich habe darüber mal gelacht, aber das passiert mir nicht mehr, seit ich selbst dieses Ungeheuerliche erlebt habe. Seitdem sehe ich die Welt mit anderen Augen.«
»Das kann ich mir denken.«
Wenig später gabelte sich der Weg. Der rechte führte zu einigen Häusern hin, die in der Ferne in einer Talsenke standen. Sie mussten den linken Weg nehmen. Er mündete in eine Zufahrt, die zu einem Parkplatz führte, wo Godwin den Wagen in eine Parklücke rollen ließ.
»Da wären wir.«
Judith nickte. Sie wirkte leicht verkrampft.
»Ist Ihnen nicht gut?«
Sie winkte ab. »Ich weiß auch nicht. Aber ich frage mich, ob ich alles richtig gemacht habe, denn irgendwie habe ich auch ein schlechtes Gewissen.«
»Da machen Sie sich mal keinen Kopf. Das bekommen wir hin.« Der Templer schnallte sich los. Er wollte die Tür öffnen, als ihn etwas davon abhielt.
Gerechnet hatte er nicht damit, doch jetzt musste er sich mit seinem Handy befassen, das sich gemeldet hatte. Judith schaute ihn verwundert an, hielt sich jedoch mit einem Kommentar zurück.
Godwin meldete sich. Und er hörte die Antwort, mit der er nicht gerechnet hatte.
»John Sinclair hier …«
***
Etwas auf die lange Bank schieben, das war nicht meine Sache, ich musste noch mal telefonieren. Manchmal gibt es eben Fälle, die entwickeln sich erst durch Telefongespräche, und ich ahnte, dass es auch hier so kommen würde.
Nur Godwin de Salier konnte Licht in die Sache bringen. Er würde erstaunt sein, wenn er erfuhr, dass auch ich in das Geschehen involviert war.
Er war also nach Deutschland gefahren, und ich hoffte, dass ich ihn dort erwischte.
Suko wollte noch wissen, wen ich anrief.
»Godwin natürlich.«
»Das ist gut.«
Die nächsten Sekunden steckten voller Spannung. Ich konnte es kaum erwarten, seine Stimme zu hören und setzte darauf, dass ich ihn auch erwischte.
Das war der Fall. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich meinen Namen nannte.
»John?«
Die Überraschung in der Stimme bekam ich voll mit. »Ja, das ist
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