1725 - Hängt die Hexe höher
Mittlerweile war es richtig finster geworden. Die Halbvampire hielten sich auf der Rasenfläche auf, doch sie waren nicht mehr so deutlich zu sehen wie noch zuvor. Überhaupt gefiel mir die Dunkelheit nicht. Sie war nicht für unsere menschlichen Augen geschaffen.
Aber ich brauchte mir darüber keine weiteren Gedanken zu machen, denn einer der Halbvampire hatte sich von der Gruppe entfernt. Ich sah eine Flamme in die Höhe zucken, hörte dann ein Zischen und plötzlich brannte der Holzstoß, den die Hexen errichtet hatten. Hoch loderten die Flammen.
Jetzt hatten wir Licht. Eine helle, zuckende und feurige Insel war entstanden. Ein Mittelpunkt, den die Halbvampire nicht grundlos geschaffen hatten. Sie wollten das Blut sehen, wenn sie die Hexen anstachen, und es aus den Wunden lecken. Ihre Schlingen hielten sie nicht mehr fest. Sie hatten sie zu Boden gelegt.
Auf der Lichtung hatte sich etwas verändert. Es ging nicht allein um das Feuer, denn jetzt hielten sich dort auch die Hexen auf. Sie waren dorthin getrieben worden. Genau auf die Halbvampire zu, die sie nicht aus den Augen ließen.
Die Stricke mit den Schlingen lagen im Gras. Jetzt hatten sie sich mit anderen Waffen versorgt. Ihre Hände umklammerten die Griffe der Messer, über deren Stahlklingen hin und wieder der Schein des Feuers huschte. Noch warteten sie darauf, die Waffen einsetzen zu können. Sie würden die Befehle von ihrer Anführerin bekommen, die sich mit ihrer Geisel noch immer zwischen den beiden Wagen aufhielt.
Jane und ich standen am Rand der Lichtung. Ich hatte den Kopf leicht nach rechts gedreht, weil ich die Cavallo im Auge behalten wollte. Jane schaute auf die Lichtung. Dort standen die sechs Frauen, die sich als Hexen bezeichneten, dicht beisammen, und sie erlebten, was es hieß, Angst zu haben.
Es war eine Szene, die mit der Ruhe vor dem Sturm zu vergleichen war. Und es gab jemanden, der sie voller Triumph beobachtete. Das war die Cavallo, die den Ausdruck des Triumphes auf ihrem Gesicht nicht verbergen konnte.
Ihr Spiel würde bald anlaufen.
Die Geisel war ihr sicher. Nur mit mir schien sie noch ihre Probleme zu haben. Sie nickte mir zu und sagte dann mit leicht zischender Stimme: »Ich weiß genau, was in deinem Kopf vorgeht, John. Ich kenne dich. Wir haben schon zu lange und zu oft zusammen auf einer Seite gestanden. Da sind mir deine Reaktionen durchaus bekannt. Denken kannst du. Dir auch etwas vorstellen, aber handeln werde ich.«
»Das dachte ich mir.«
»Gut, dann wirst du auch nichts dagegen haben, dass ich von dir verlange, dich selbst zu entwaffnen …«
Mist!, dachte ich und ahnte, worauf sie hinauswollte. Dennoch tat ich ahnungslos.
»Was meinst du damit?«
»Wirf deine Waffe weg!«
»Und dann?«
»Wirf sie weg!«
»Und wenn ich es nicht tue?«
Sie öffnete weit den Mund, damit ihr Gebiss zu sehen war. »Wenn nicht, werde ich meine Zähne in den Hals dieser Hexe rammen und ihr Blut vor euren Augen trinken.«
Ich nickte. »Verstanden. Aber das kümmert mich nicht, denn ich weiß, dass du das Blut sowieso trinken wirst. Damit kannst du mich nicht schocken.«
»Und mich auch nicht, Justine«, sagte Jane. »Du musst uns die Waffen schon selbst abnehmen, und ich bin gespannt, wie du dich fühlen wirst, wenn du Johns Kreuz in den Händen hältst.«
Die Cavallo wunderte sich. »Ist euch das Leben dieser Frau nichts wert? Wollt ihr es nicht retten?«
»Wir wissen um unsere Chance. Du kannst es versuchen. Los, saug ihr das Blut aus …«
Jane hatte ihr die Worte entgegengeschleudert. Und sie tat noch mehr. Sie drehte sich zur Seite und ging weg, was die Cavallo wunderte.
»He, wo willst du hin?«
»Zu den anderen Frauen. Ich fühle mich zu ihnen hingezogen. Wie du weißt, stecken auch in mir noch Hexenkräfte. Also fühle ich mich bei ihnen wohl.«
Die Cavallo schwieg. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sich Jane so weit aus dem Fenster lehnen würde. Aufhalten konnte sie die Detektivin nicht mehr, die bereits die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatte.
Bald wurde auch Jane Collins vom Widerschein des Feuers erfasst, sodass ich jede ihrer Aktionen verfolgen konnte. Im ersten Moment tat sie nichts, dann hob sie ihre Waffe an und zielte mit der Mündung auf den Kopf eines Halbvampirs.
»Sieh her, Justine! Das ist meine Antwort. Ich glaube nicht, dass deine Bluttrinker auch nur eine Hexe hängen werden. Ich würde sagen, dass du dieses Spiel verloren hast.«
Ich war überrascht, denn diese Aktion
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