173 - Die Rache des Hexers
kleine, baumbestandene Senke. Sie trennte ihn von der einigermaßen ebenen Fläche, auf der sich Basajauns Mauern und Türme erhoben.
Hier lagerte noch der letzte nächtliche Nebel. Der Schatten der Felswände verwandelte das kleine Tal in eine Oase der Dunkelheit. Während der letzten Minuten hatte Abi immer wieder Geräusche hinter sich gehört, die nicht in die Ruhe des frühen Morgens paßten.
Er zog das dämonenbannende Amulett aus der Jacke, griff nach dem kurzläufigen Revolver und spannte den Hahn. Als er in die Nebelschwaden eintauchte, fröstelte er. Der Dunst schlug sich an den Blättern und Nadeln der Gewächse nieder.
Abi Flindt war vorbereitet. Er rechnete damit, daß jene unsichtbaren Geschöpfe, die Vater Arias gehorchten, ihn gesehen hatten und verfolgten. Er tastete sich durch den Nebel, duckte sich unter tiefhängenden Ästen und vermochte gerade noch den Weg vor seinen Stiefelspitzen zu erkennen und die nächsten Äste und Zweige.
Er rannte schneller und hörte hinter sich deutlich das Tappen von Füßen und hechelnde Laute, die nach seiner Meinung nur aus dem Rachen von Wölfen kommen konnten. Den Pfad durch dieses Tal kannte er genau; er wußte jede Sekunde, wo er sich befand. Noch rund tausend große Schritte betrug der Abstand zwischen ihm und dem Eingangstor des Castillos. Ein dorniger Zweig riß seine Hose auf. Er duckte sich und bemühte sich, nicht zu laut zu atmen, um die Geräusche hinter sich besser hören zu können. An dieser Stelle konnten ihn die Wölfe nicht überholen.
„Vielleicht warten sie schon dort vorn", murmelte er und sprang über eine kniehohe Felsbarriere. Das scharfe Geräusch des Wolfsatems wurde deutlicher. Vereinzelt erklang ein leises, bösartiges Knurren, das ihm jedes Mal einen Schauder über den Rücken jagte.
Arias' Wölfe waren hinter ihm her.
Abi hielt sich mit der linken Hand an einem Baumstamm fest, wirbelte halb herum und landete auf dem breiteren, steinigen Teil des Pfades. Er spannte seine Muskeln und wurde noch einmal schneller. Die Nebelschwaden lösten sich mehr und mehr auf, der schwarze Rand des Schattens wanderte, und nach hundert Sprüngen hatte er es geschafft, den freien Teil der Strecke zu erreichen.
Er blinzelte, als er ins grelle Sonnenlicht hinausstolperte. Keine dreihundert Meter waren es bis zum Tor. Aber kaum hatte er die freie Fläche erreicht, sah er die Verfolger.
Ein Rudel schlanker, grauer Wölfe. Sie sprangen rechts und links von ihm zwischen Steinen und Stämmen hervor, schwärmten aus und überholten ihn mühelos. Abi rannte um sein Leben, holte tief Luft und schrie.
„Yoshi! Macht das Tor auf!"
Er kam noch einige Meter weiter, dann warfen sich von beiden Seiten die Wölfe auf ihn. Er feuerte, ohne zu zögern. Die Geschosse aus dem Revolver, die grundsätzlich aus Silber bestanden, wirkten auf die kurze Entfernung wie riesige Hämmer. Die angreifenden Tiere wurden zur Seite geschleudert und verendeten sofort.
Der Däne traf mit einem Stiefeltritt eine dritte Bestie. Aus einem Fenster schrie ihm jemand etwas zu. Er verstand es nicht. Seine Augen blieben, während er im leichten Zickzack auf den Haupteingang zurannte, auf die rechte Hälfte der Holzkonstruktion gerichtet.
Man hatte Abis Notlage bemerkt.
Wieder feuerte er und traf, obwohl seine Hand zitterte. Zwei Wölfe kamen einander in den Weg und überschlugen sich aufheulend. Ein dritter sprang Abi an und verbiß sich in dessen Stiefel. Der nächste Schritt schleuderte das graue Raubtier zur Seite.
Noch weniger als hundert Meter bis zum Tor. In diesem Moment, als Abi sich halb herumdrehte, um über die Schulter zu blicken, öffnete sich das Tor des Castillos. Die Bewegung schien viel zu langsam vor sich zu gehen. Hideyoshi Hojo öffnete das Tor nur etwa einen Meter breit. Er trug eine doppelläufige Schrotflinte unter dem Arm.
Er winkte kurz, schrie: „Hierher!" und feuerte im Zweisekundenabstand beide Läufe ab.
Keuchend und schwitzend raste Abi Flindt heran. Yoshi sprang zurück und lud die Waffe nach. Als einer der letzten Wölfe den Dänen von links ansprang, schoß ihm Abi aus kürzester Entfernung in den weit aufgerissenen Rachen.
Er warf sich fast mit einem Hechtsprung durch den offenen Torspalt und lief noch einige Meter weit, dann ließ er die Schultern hängen.
„Danke, Yoshi!" keuchte er. „Das war… ziemlich knapp."
Vor dem dicken Tor stieß einer der Verfolger ein langgezogenes Heulen aus, fast ein Kreischen. Dann war Stille.
Yoshi packte
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