1731 - Der Zwitter
davon gesprochen, dass sie Johnny mal in London besuchen will.«
»Da müssen wir erst mal abwarten. Zunächst komme ich.«
»Wir freuen uns.«
Das Gespräch war vorbei. Ich hielt den Hörer noch länger in der Hand und schaute ins Leere. In einem hatte Maxine recht. Es gab immer wieder etwas Neues, und dieser Zwitter gehörte dazu, wobei ich jetzt schon neugierig auf ihn war…
***
Noch war es hell, und es würde auch nicht richtig dunkel werden. Dennoch kam die Nacht. Carlotta und Maxine sahen dieser Zeit nicht eben freudig entgegen, obwohl die Nachricht, dass John Sinclair am nächsten Tag bei ihnen eintreffen würde, sie schon etwas beruhigt hatte.
Kim war nicht der erste Gast, der bei der Tierärztin übernachtete und Asyl erhalten hatte, nur war es schwer, sich daran zu gewöhnen, wer er war. Im Prinzip ein Mensch, aber wenn es stimmte, dann hatte er besondere Eltern. Zum einen einen Engel, zum anderen einen Dämon, und er selbst war ein Zwitter oder ein Hermaphrodit. Ein Begriff, der aus dem Griechischen stammte. Dort war er als Zwittergottheit bekannt, eben eine Person mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen. Ein Kind des Hermes und der Aphrodite. Die Legende besagte, dass die Quellnymphe Salmakis bei dem zunächst männlichen Hermaphroditos keine Gegenliebe fand, wurde er, als er in ihrer Quelle badete, zu einem zweigeschlechtlichen Wesen. Es war eine besondere Quelle, die alle Personen, die darin badeten, zu einem zweigeschlechtlichen Wesen machte.
Das hatte Maxine Wells recherchiert und auch mit Carlotta darüber gesprochen, die ja auch kein normaler Mensch, sondern ein veränderter war.
Die Tierärztin und das Vogelmädchen hatten sich darüber unterhalten, und Carlotta hatte gefragt, ob dieses Wissen weiterhelfen würde.
»Im Prinzip nicht«, erklärte Maxine, »aber wir wissen wenigstens mehr Bescheid.«
Carlotta nickte nur. Danach hingen beide ihren Gedanken nach. Kim befand sich nicht bei ihnen. Er oder sie hatte sich zurückgezogen und wartete im Gästezimmer.
Maxine hob die Schultern und fasste ihre Probleme zu einer Frage zusammen.
»Was können wir tun?«
Carlotta schüttelte den Kopf und sagte: »Ich weiß es nicht. Wirklich, ich bin überfragt.«
»Wir müssen warten.«
»Was kann John tun?«, lautete die Gegenfrage.
Maxine seufzte. »Ja, das ist eine gute Frage. Was kann er tun? Ich habe keine Ahnung. Möglicherweise gibt uns seine Gegenwart eine gewisse Sicherheit. Ich glaube allerdings nicht, dass er sich mit Gestalten wie Kim auskennt.«
»Du hast ihn nicht direkt darauf angesprochen?«
»So ist es.«
Beide schauten sich an. Sie hingen ihren Gedanken nach, und Maxine sprach schließlich davon, dass es besser war, wenn sie bei Kim blieben.
»Er wollte doch allein sein.«
Maxine stand auf. »Ich denke, dass die Zeit um ist. Nur gemeinsam sind wir stark.«
»Okay, dann lass uns zu ihm gehen.«
Das Gästezimmer lag nicht weit entfernt. Die Tür war nur angelehnt.
Trotzdem klopfte Maxine, bevor sie den Raum betraten und auf Kims Rücken schauten. Er stand vor dem Fenster und schaute nach draußen. Viel gab es dort nicht zu sehen. Einen Himmel, der zwar grau, aber nicht so recht dunkel war. Man hätte draußen noch eine Zeitung lesen können.
Kim hatte sie gehört und drehte sich um. Es brannte nur eine Stehleuchte. Trotzdem war zu sehen, dass das Gesicht ihres Gastes keinen optimistischen Ausdruck zeigte. Es wirkte verschlossen, aber auch ängstlich.
Maxine kam sich bei der Frage etwas komisch vor. Dennoch stellte sie sie.
»Na, wie fühlst du dich?«
Kim erwiderte zunächst nichts. Er senkte den Blick, dann zuckten seine Schultern, und mit leiser Stimme gab er die Antwort.
»Sie werden mich suchen, das weiß ich. Und sie werden mich auch finden.«
»Und warum suchen sie dich?«, fragte Carlotta.
Kim überlegte lange. Dann sagte er mit leiser Stimme: »Einen wie mich wollen sie nicht. Ich passe nicht zu ihnen, ich bin kein Dämon, aber ich bin auch kein Engel. Ich gehöre nicht zu den einen und auch nicht zu den anderen. Deshalb können sie mit mir nichts anfangen.«
Carlotta fragte weiter. »Wer jagt dich denn? Sind es Engel oder Dämonen?«
»Das kann ich dir nicht genau sagen. Es könnten beide sein.«
»Aber sind Engel denn so negativ?«
»Manchmal schon«, gab Kim zu.
»Auch deine Mutter?« Carlotta kam jetzt zur Sache. »Wer ist deine Mutter? Ist sie ein Engel? Oder zählt sie zur anderen Seite? Hast du dir darüber Gedanken gemacht?«
»Ja,
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