1739 - Justines grausamer Urahn
haben Sie vor?«
Ich deutete auf den toten Halbvampir. »Er ist nicht allein gekommen. Es gibt noch zwei dieser Geschöpfe, und die müssen gefunden werden, bevor sie Blut trinken.«
»Und wo wollen Sie suchen?«
»Ich hoffe auf mein Glück.« Das stimmte zwar nicht hundertprozentig, einen Plan hatte ich schon. Den jedoch behielt ich für mich. Simon Berger war letztendlich froh, die Bar verlassen zu können. Er trug auch einen Schlüssel bei sich und schloss ab.
Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Und jetzt gehen Sie bitte in Ihre Wohnung und bleiben Sie dort. Um alles andere kümmere ich mich.«
»Gut. Dann kann ich Ihnen nur viel Glück wünschen.«
»Danke, das kann ich gebrauchen...«
***
Besonders Sheila Conolly hatte alles mit angesehen, was sich auf der Terrasse abspielte. Das plötzliche Erscheinen dieser unheimlichen Gestalt war auch für sie ein Schock gewesen. Sie dachte an ihren waffenlosen Mann und wusste, dass er dem anderen unterlegen war. Dabei sah sie den Ankömmling nicht in allen Details, doch was sie zu Gesicht bekam, war schon schlimm.
Allein durch sein düsteres Aussehen strahlte er so etwas wie eine tödliche Gefahr aus. Und er verhielt sich auch nicht lange passiv. Er ging auf Bill zu und packte ihn. Ein Griff reichte ihm aus. Dann verlor Bill den Kontakt mit dem Boden und schwebte in der Luft. Der Griff des anderen war hart. Bill hatte keine Chance, ihm zu entkommen. Er wurde zur offenen Tür geschleift, dann angehoben und einfach zu Boden geworfen, als wäre er nur irgendein Gegenstand und kein Mensch.
Sheila konnte einen leisen Schrei nicht mehr unterdrücken. Auch der Ankömmling hatte ihn gehört. Er schaute kurz zu ihr hin, verlor aber dann das Interesse an ihr.
Bill lag auf dem Boden und bewegte sich erst mal nicht. Er war froh, auf einem Teppich gelandet zu sein. Der hatte seinen Aufprall etwas abgefedert. Trotzdem taten ihm einige Knochen weh, besonders die Arme in Höhe der Ellbogen.
Er wollte sehen, was passierte. Allerdings hatte er sich vorgenommen, liegen zu bleiben, und so drehte er zunächst nur den Kopf und hob ihn auch leicht an, damit er eine bessere Übersicht erhielt. Es hatte sich nichts verändert. Die Anwesenden befanden sich auf ihren Plätzen. Er sah die drei Frauen sitzen, und nur der Eindringling bewegte sich zwischen ihnen.
Sein Gesicht war einfach nur scheußlich. Eben schief gewachsen, aber Bill hatte noch nicht gesehen, ob er es mit einem Vampir zu tun hatte, denn sein Mund blieb nach wie vor geschlossen.
Niemand wagte es, sich zu rühren. So hatte der Ankömmling die Bühne für sich. Und die nutzte er aus. Er ging auf die Person zu, die ihm besonders wichtig war, und das war die blonde Bestie.
Vor ihr hielt er an. Sie schauten sich gegenseitig in die Augen. Keiner sprach, und nur der Ankömmling bewegte sich. Er streckte seinen Arm aus und strich der Cavallo durch das blonde Haar. Als wäre er ein beschützender Vater und sie die Tochter.
»Du bist da«, flüsterte sie.
»Ja...« Die Antwort hatte sich rau angehört.
»Und du bist der Erste von uns gewesen?«
»Ich bin der Bluttrinker. Ich bin dein Urahn. Ich war da, als es die ersten Menschen gab, und habe ihr Blut getrunken. Das hat mich stark gemacht. Ich habe die Veränderung erleben dürfen, ich habe euch wachsen gesehen. Ich sah auch die Veränderung in euren Mäulern. Ihr habt die Zähne, die ich auch besitze...«
Damit zeigte er sie.
Auch Bill starrte auf das Gesicht, und er sah plötzlich die beiden hellen Hauer aus dem Oberkiefer wachsen. Dabei wurde er an ein Bild erinnert, das er im Dämonen-Dom gesehen hatte. Die Fratze in der Wand, die beiden Zähne, und jetzt diese.
Bill hielt den Atem an. Die Gestalt in der Wand und dieses Wesen waren identisch. Oder zwei in einer Person, was ihm auch nicht unbekannt war, denn als er weiter dachte, kam ihm der Begriff Kreatur der Finsternis in den Sinn.
»Du hast mich nicht vergessen!«, flüsterte die Cavallo. »Ich habe dich gespürt, aber ich hatte die Hoffnung aufgegeben, dass du noch erscheinen würdest.«
»Du hast mich doch in der Kirche gesehen.«
»Das schon, aber da bist du...«
»Ich war ein Beobachter. Ich musste eine günstige Gelegenheit abwarten. Als Kreatur der Finsternis habe ich die Pflicht, dich zu beschützen, denn du bist die Hoffnung der Blutsauger.«
»Und ich bin schwach«, gab die Cavallo zu.
Es wirkte auf Bill Conolly so, als wollte sie eine Beichte ablegen.
»Das ist schon wahr. Du hast zu viel
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