1740 - Und er lebt doch!
oder?«
»Keine Ahnung, was mit ihm und Shao los ist. Sie sind recht überstürzt nach China geflogen.«
»Haben sie sich denn schon gemeldet?«
»Ja, kurz angerufen.«
»Und weiter?«
Sir James breitete die Arme aus. »Da muss ich leider passen. Er und Shao gehen dort ihre eigenen Wege.«
»Dann lassen wir sie.« So ganz wohl war mir bei der Antwort nicht. Aber ich hatte meine eigenen Probleme, und Shao und Suko waren keine Kinder mehr.
Beim Aufstehen sagte ich: »Dann werde ich mal meine Fühler ausstrecken. Sie hören dann von mir.«
»Alles klar.«
Ich ging zurück zu meinem Büro, wo mich Glenda mit einem bestimmten Blick empfing.
»Was ist los?«
»Da hat eine Frau für dich angerufen.«
Ich lächelte. »Lass mich raten. Es war sicherlich Karina Grischin.«
»Gut geraten, aber kannst du hellsehen?«
»Leider nicht, aber ich war bei Sir James und da...«
Weiter sprach ich nicht, denn erneut schlug das Telefon an – in meinem Büro, in das ich hineinstürmte, mich meldete und Karinas Stimme hörte.
»Liebesgrüße aus St. Petersburg, John.«
»Aha«, sagte ich. »Dann geht es bestimmt um einen gewissen Samatkin und letztendlich auch um Rasputin.«
»Es hat sich also schon herumgesprochen.«
»Ja, nur weiß ich erst seit knapp fünf Minuten Bescheid. Und ich hatte vor, dich anzurufen.«
»Das können wir ja jetzt vergessen.«
»Dann bin ich ganz Ohr, meine Liebe...«
***
Karina Grischin war ein Profi. Sie redete nicht lange um den heißen Brei herum und fasste alles Wesentliche zusammen. So erfuhr ich von dem Anruf und ihrer Annahme, dass es Chandra gewesen sein könnte, obwohl sie die Stimme nicht identifiziert hatte. Sie ging einfach davon aus, dass es die Kugelfeste gewesen war. Sie hatte schließlich Rasputin gerettet und war mit ihm verschwunden, bevor wir hatten zuschlagen können. Das war damals kein Ruhmesblatt für uns gewesen.
»Kannst du dir denn irgendwelche Gründe vorstellen, was sie vorhat?«
Karina lachte. »Die kann ich mir vorstellen. Sie will uns zeigen, dass sie noch da ist. Die Zeiten der Ruhe und des Abwartens sind vorbei. Ab jetzt müssen wir wieder mit ihr rechnen.«
»Und mit Rasputin.«
»Genau, John.«
»Und was ist mit den Erben?«
Da hatte ich ein Thema angesprochen, das sie erst mal verstummen ließ, aber ich wusste, dass ihre Gedanken rasten. Rasputins Erben waren Menschen, die sich auf seine Seite gestellt hatten. Die auch seine Ziele verfolgten, und man konnte sie als gefährliche Nostalgiker bezeichnen, die bei ihren Taten über Leichen gingen. Da kannten sie kein Pardon. Sie wollten in Rasputins Sinne wieder an die Macht gelangen, wobei sie alle Hindernisse brutal aus dem Weg räumten.
»Was hast du, Karina?«
»Ich denke noch nach.«
»Okay, dann warte ich.«
»Die Erben sind Männer, die ich nicht kenne. Wladimir und ich haben versucht, an sie heranzukommen, was nicht möglich war. Sie halten sich noch zurück.«
»Und was hat dieser jetzt tote Samatkin herausfinden können?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
»Aber er muss eine Spur gefunden haben.« Ich kam jetzt zur Sache und sprach mit Karina über das, was ich von Sir James und diesem Agenten erfahren hatte. Dass wir praktisch am selben Fall arbeiteten. Dass Samatkin, der Doppelagent, die entsprechenden Kreise bei uns eingeweiht hatte.
»Dann scheint er wirklich etwas herausgefunden zu haben«, erwiderte Karina nach einer Weile. »Alle Achtung.«
»Aber wir wissen nicht, was es gewesen ist. Deshalb habe ich die Aufgabe erhalten, es herauszufinden.«
»Ach...«
»Ja, da hat sich mal wieder was zusammengefügt. Ich weiß nicht, durch wen unsere Leute über Samatkins Tod erfahren haben, was auch nicht weiter wichtig ist, nehme ich an. Aber man will, dass ich mich um den Fall kümmere. Und das kann ich nur bei euch.«
Sie lachte. »Dann darf ich dich mal wieder in meiner Heimat erwarten?«
»Ja.«
»Aber diesmal in St. Petersburg.«
Der Name der Stadt war für mich so etwas wie ein Stichwort. In Moskau befand sich Wladimir Golenkow in einer Klinik. Er war dort teilweise Gast, den anderen Teil seiner Zeit verbrachte er im Büro. Und so fragte ich Karina nach ihrem Partner, mit dem sie privat und auch beruflich verbandelt war.
Karina lachte und fragte dann: »Was willst du hören?«
»Keine Ahnung. Am besten die Wahrheit.«
»Ja, gut.« Ihre Stimme sackte ein wenig ab. »Er bemüht sich. Wladi versucht tatsächlich, das Beste aus seinem Zustand zu machen. Und er hasst Chandra und
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