1740 - Und er lebt doch!
Chandra ihren Triumph gar nicht auskosten können, oder?«
»Ja.«
»Mich wundert, dass sie sich nicht mit dir in Verbindung gesetzt hat, um zu zeigen, wie gut sie ist.«
»Das hat sie nicht nötig. Aber sie wird irgendetwas bezwecken, nur weiß ich nicht, was es ist.«
»Es muss mit Rasputin zusammenhängen.«
Sie stellte ihre Tasse ab. »Ja, das auf jeden Fall. Aber ich weiß nicht, was sie und Rasputin vorhaben könnten.«
Darauf hatte ich eine Antwort. »Sie wollen die Macht, Karina. Nichts sonst. Um sie zu erreichen, werden sie alles in die Waagschale werfen.«
»Sie oder die Erben Rasputins.«
»Das kommt aufs Gleiche raus. Da müsste man dann nur wissen, wer zu dieser Gruppe gehört.«
Karina runzelte die Stirn. »Es ist nicht einfach, das herauszufinden. Manches Mal stehen auch wir an einer Wand, aber es gibt Momente, wo auch Wände durchlässig sind.«
»Höre ich da etwas heraus?«
»Ja, kann sein.«
»Und?«
»Wir haben uns um den toten Samatkin gekümmert und versucht, etwas über ihn in Erfahrung zu bringen. Du weißt, dass er ein Doppelagent war. Wir haben seine Wohnung durchsucht in der Hoffnung, etwas zu finden, das uns weiterbringt. Aber da war nichts. Außerdem gab es Personen, die seine Wohnung schon vor uns durchsucht haben. Es war zwar nichts durcheinander, aber gewisse Zeichen deuteten darauf hin, dass ein Fremder in der Wohnung gewesen ist.«
»Also keine Spuren auf die Besucher?«
»Genau, die gab es nicht.«
»Und jetzt?«
»Werden wir sehen.« Sie schaute mich leicht betrübt an. »Tut mir leid, John, ich habe gedacht, schon weiter zu sein, aber Chandra ist uns immer einen Schritt voraus.«
»Und was können wir tun, abgesehen davon, hier zu stehen und einen Kaffee zu trinken?«
»Wir fahren erst mal in die Stadt.«
»Gut. Und dann?«
»Werden wir uns näher mit Samatkins Leben beschäftigen.« Sie verengte die Augen. »Es muss ja einen Hinweis darauf geben, wie er es geschafft hat, Kontakt mit Chandra oder Rasputin zu bekommen.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Das wäre eine Möglichkeit. Hast du schon in diese Richtung recherchiert?«
»Das habe ich. Er war zwar ein Einzelgänger, trotzdem muss er bei seinem Job Kontakte gehabt haben. Das geht nicht anders. Er konnte hier kein Eremitenleben führen.«
»Da gebe ich dir recht.«
Beide Tassen waren leer, und Karina bezahlte die Rechnung. Im Weggehen fragte ich sie: »Wo müssen wir hin, um zu deinem Wagen zu gelangen?«
»Er steht nicht im Freien.«
»Okay.« Es gab schon Parkhäuser hier. Auf eines steuerte Karina Grischin zu. Ich hielt mich an ihrer Seite und machte mir natürlich meine Gedanken, wie es weitergehen würde. Dass sie so wenige Informationen besaß, damit hatte ich nicht gerechnet. Vielleicht hatten wir ja Glück, wenn wir uns mit Samatkins Vergangenheit beschäftigten.
Das Parkhaus hatte sechs Etagen. Es war noch relativ neu. Als Karina zahlte, wollte ich wissen, wie hoch wir mussten.
»In die vierte.«
»Gut.«
Es gab einen Lift. Wir mussten ihn erst nach unten holen. Während wir auf ihn warteten, bemerkte ich, dass sich Karina umschaute und in alle Richtungen blickte.
»Was ist los?«
»Ich weiß es selbst nicht genau«, gab sie zu. »Ich habe nur das Gefühl, beobachtet zu werden.«
»Gefühl und keine Beweise?«
»So ist es.«
Da der Lift noch nicht eingetroffen war, schaute auch ich mich um. Ich sah zwar Menschen, aber keine, die sich auffällig verhalten hätten, was Profis natürlich niemals taten.
Dann war der Lift da, aber auch eine Frau mit Einkaufstaschen, die ebenfalls einsteigen wollte. Sie nickte uns zu, als wir ihr den Vortritt ließen. Vom Aussehen her stammte sie aus dem östlichen Teil des Riesenlandes. Die Mongolenfalte war nicht zu übersehen. Sie war klein, hatte ein rundes Gesicht und einen breiten Mund, der lächelte, obwohl die Lippen geschlossen waren.
Sie sagte nichts, schaute gegen die Decke, und kurze Zeit später verließ sie vor uns die Kabine.
Es war ein sehr großes Parkhaus. Auto stand neben Auto, und auch Karina musste eine Weile suchen, bis sie zumindest die entsprechende Richtung gefunden hatte. Danach marschierten wir los, wobei mir die Gespanntheit auffiel, die Karina erfasst hatte. Sie war genau das Gegenteil von locker.
»Rechnest du immer noch mit einem Verfolger?«
»Ja, und nicht nur mit einem. Chandra ist nicht nur kugelfest, sie ist auch schlau und raffiniert. Zudem die geborene Führerin. Die hat ihre Leute im Griff.«
»Du gehst nicht
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