1743 - Digital-Gespenster
reagierte sofort auf Geo Sheremdocs Ruf. Dafür brauchte sie allerdings auch keine sonderliche Kapazität.
„Du kennst die Lage auf dem Mond?"
„Die Fakten sind mir bekannt", antwortete NATHAN.
„Und was gedenkst du zu tun?"
„Meine verfügbare Kapazität reicht für Reaktionen nicht aus."
„Daß keine ausreichende Kapazität verfügbar ist, liegt das am Projekt Insideout?" hakte Sheremdoc nach.
„Zutreffend."
„Dir ist klar, daß von der Entwicklung zahlreiche Menschen existentiell bedroht werden?"
„Ich weiß das", antwortete die Syntronik. Kein weiterer Kommentar sonst.
„Setz dich mit der Syntronik auf Titan in Verbindung und lasse dir die dort gefundenen Daten und Auswertungen überspielen."
„Auftrag ausgeführt!"
Wahrscheinlich hatte NATHAN mehr Zeit gebraucht, die Schallimpulse dieser Antwort abzustrahlen, als er für die eigentliche Arbeit benötigt hatte.
„Deine Stellungnahme dazu?"
„Die Analyse der Titan-Syntronik ist zutreffend!"
„Weiter!" drängte Sheremdoc. Ich sah, wie er die Hände ballte.
Ein Glück, daß die Mehrzahl der Terraner nicht die geringste Ahnung hatte, welche Probleme ihre Repräsentanten zur Zeit mit NATHAN hatten. Wahrscheinlich wären sie in Panik verfallen.
„Das Projekt Insideout hat absolute Priorität", antwortete NATHAN.
„Ich kann derzeit keine anderen Aufgaben übernehmen."
Ich sah, wie der Sicherheitschef des Mondes blaß wurde. Was NATHAN tat, kam einer Meuterei gleich.
„NATHAN!" rief er ungestüm. „Wenn wir die Digital-Gespenster nicht stoppen, und dafür brauchen wir deine Hilfe, besteht die Gefahr, daß zahlreiche Menschen sterben."
„Ich bin mir des Risikos bewußt", versetzte die Syntronik nüchtern.
„Was ist an diesem Projekt so wichtig, daß du solche Risiken eingehst?" fragte Geo Sheremdoc.
„Das kann ich nicht sagen."
„Kannst du nicht, oder willst du nicht?"
Pause.
„Ich verweigere die Auskunft zu diesem Themenkomplex."
Ich stieß heftig die Luft aus.
„Kann man den Kerl nicht einfach stillegen?" fragte ich mit Wut im Bauch. „Ihr müßt doch irgendwo einen Schalter haben, mit dem man ihn einfach desaktivieren kann!"
„NATHAN steuert eine unübersehbare Fülle von Vorgängen auf allen Welten des Systems", antwortete Sheremdoc grimmig. „Unter anderem plant und koordiniert er die Evakuierung Terras. Wenn wir ihn stillegen, bricht dieser Plan zusammen, das würde für Millionen von Terranern bedeuten, daß sie die Erde nicht termingerecht verlassen können. Die Panik wäre unvorstellbar. Und NATHAN stillzulegen, ohne daß die Menschen davon erfahren, ist schlichtweg unmöglich."
„Panik haben wir jetzt schon", warf Phrix ein. „Die Zahl der Digital-Gespenster wächst mit jeder Stunde, und die Menschen begreifen nicht, was passiert. Aber sonst ist das Argument zutreffend."
„NATHAN!" Ein Mann wie Geo Sheremdoc gab so schnell nicht auf.
„Ist dir klar, daß die Entwicklung auf Luna auch dich gefährdet? Du hast die Explosionen registriert, weitere Detonationen kann es jederzeit geben.
Und wenn du gefährdet bist, dann ist auch das von dir kontrollierte Projekt Insideout gefährdet. Siehst du das ein?"
„Ich weigere mich, diese Konsequenzen zu kalkulieren!"
„Hör auf!" drängte Phrix plötzlich und trat an Sheremdocs Seite. „NA-THAN steckt in einer Zwickmühle. Wenn wir ihn in dieser Zwangslage weiter unter Druck setzen, bricht er uns womöglich zusammen, und das wäre noch viel schlimmer als eine kurzfristige Stillegung."
Geo Sheremdoc nickte. Zum ersten Mal wirkte er müde. Langsam drehte er sich um.
„Wo willst du hin, Chambers?"
Ich lächelte freudlos. „Weg", sagte ich. „Nur weg, das ist alles. Ich empfehle mich, meine Herren. Auf mein Honorar verzichte ich, ich will nur weg von hier. Notfalls durch die Hintertür."
Geo Sheremdoc nickte langsam.
„Eine gute Idee", sagte er leise. „Durch die Hintertür."
Ich hob die Hand zu einem Abschiedsgruß, sah mich aber plötzlich von Sheremdoc gepackt.
„Kannst du schießen, Chambers?"
„Nur auf Unbewaffnete", gab ich ehrlich zu. „Und von hinten. Ich bin kein Kämpfer, und ich habe keine Lust..."
„Als LFT-Kommissar habe ich dich hiermit zwangsverpflichtet", klärte Sheremdoc mich auf. Es machte ihm Spaß, oja, es war ihm anzusehen, wieviel Spaß es ihm machte, mich zu schurigeln. „Du stehst unter meiner Befehlsgewalt und wirst tun, was ich dir sage."
„Ich weigere mich. Ich weigere mich ganz entschieden!" protestierte ich,
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