1745 - Die Ketzerbibel
dem schwer atmenden Mann, der sich mit dem Kuttenärmel den Schweiß von der Stirn wischte und fragte: »Was können wir denn tun?«
»Erst mal weg hier.«
»Und wohin?«
»Das wird sich alles ergeben. Es ist jetzt sehr wichtig, dass wir die Nerven behalten. Wir dürfen nicht durchdrehen und uns ins Bockshorn jagen lassen. Wir sind dem Kerl entkommen und werden dafür sorgen, dass dies auch so bleibt.«
Armand nickte. »Ja, das kann ich nachvollziehen. Nur fürchte ich, dass wir nicht mehr weit fliehen können. Die andere Seite ist mit allen Wassern gewaschen, und dieser Typ ist nicht der Einzige, der zu ihr gehört.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Man jagt mich. Man will das Buch haben, und man will mich umbringen. Das ist es doch.«
Das konnte sich Glenda gut vorstellen. Nur war hier nicht der richtige Zeitpunkt und auch nicht der richtige Ort, um nach irgendwelchen Motiven zu fragen, wenn möglich, wollte sie das später durchziehen, denn es gab ein Geheimnis um Armand und um sein Buch.
Sie warf noch einen letzten Blick auf den Eingang des Klosters. Dort tat sich nichts. Der Eingang blieb leer und in eine graue Dunkelheit getaucht.
Das beruhigte Glenda nur ein wenig. Sie war sich sicher, dass die andere Seite Mittel und Wege finden würde, um ihr Ziel doch noch zu erreichen. Glenda wollte es den Gegnern nur so schwer wie möglich machen, und sie hatte sich lange genug ausgeruht.
»So, wir müssen weg!«
Armand zuckte leicht zusammen, als er die Bemerkung hörte. »Was meinen Sie damit?«
»Nun ja – weg!«
»Und wohin?«
»Ich nehme Sie mit in mein Hotel!«
Der Kuttenträger blickte sie an, als hätte sie ihm einen schlimmen Vorschlag gemacht.
»Sie – ähm – wollen mich mit in Ihr Hotel nehmen?«
»Das sagte ich. Es befindet sich ganz in der Nähe.«
»Ach ja. Aber sind wir dort sicher?«
Glenda konnte das leise Lachen vor ihrer Antwort nicht unterdrücken. »Ich will Ihnen reinen Wein einschenken. Sicher sind wir dort nicht. Aber sicherer als hier.«
Der Mönch überlegte kurz. »Wenn Sie das meinen, ist das okay. Gibt es in diesem Hotel noch ein freies Zimmer?«
»Das weiß ich nicht, mein Lieber. Und das sollte uns auch nicht weiter stören. In meinem Zimmer haben wir zumindest ein Versteck.«
»Aber Sie haben keine Ahnung davon, wie es dann weitergeht?«
»Das habe ich nicht. Ich bin keine Hellseherin, doch wir werden unser Bestes tun. Darauf können Sie sich verlassen.«
Der Mönch nickte. Dabei sah er Glenda länger an als gewöhnlich. »Was sind Sie nur für eine Frau?«
»Ich bitte Sie«, erwiderte sie lachend. »Ich bin eine Urlauberin aus London.«
»Eine sehr toughe dazu. So sagt man doch – oder?«
»Danke für das Kompliment.«
»Ich habe nur die Wahrheit gesagt.«
»Und jetzt lassen Sie uns gehen.«
»Ähm – gehen?«
»Ja, ich war zu Fuß unterwegs. Wollte nur einen Spaziergang machen. Das Hotel liegt nicht weit von hier entfernt. Da es bergab geht, müssen wir uns auch nicht anstrengen.«
»So kann man es auch sehen. Ich frage mich nur, was das Personal dort sagt, wenn Sie plötzlich einen Mann mitbringen, den Sie unterwegs aufgelesen haben.«
»Keine Sorge, das wird nicht auffallen, wenn wir es geschickt anstellen. Das Hotel hat zwei Eingänge. Einen Haupteingang und einen zweiten an der Rückseite. Den werden wir nehmen. Ich weiß, dass er erst am späten Abend abgeschlossen wird.«
Der Kuttenträger fixierte Glenda. »So eine Frau wie Sie habe ich noch nie erlebt. Wer sind Sie eigentlich wirklich, Glenda?«
»Eine Touristin aus London, ganz normal.«
»Ja, das glaube ich Ihnen auch.« Allerdings hatte die Antwort nicht so geklungen, als würde er ihr wirklich glauben, was Glenda auch verstand. Jedenfalls war sie der Ansicht, dass ihr das große Finale des Urlaubs noch bevorstand.
Sie warf einen letzten Blick auf den Eingang des Klosters. Da war nichts zu sehen.
Doch Glenda Perkins war eine Frau, die sich so leicht nicht täuschen ließ. Das dicke Ende kam bestimmt noch nach...
***
Der Weg nach unten war schneller als der umgekehrte. Glenda legte einen zügigen Schritt vor, den Armand auch mithielt, aber er konnte seine Nervosität nicht im Zaum halten, denn er schaute sich immer wieder um, weil er befürchtete, verfolgt zu werden. Wenn das tatsächlich der Fall war, verhielt sich die andere Seite sehr geschickt.
Zu viele Gäste hielten sich nicht mehr im Freien auf. Die meisten waren damit beschäftigt, sich für das Abendessen
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