1745 - Die Ketzerbibel
junger Mann mit Ziegenbart schob einen kleinen Wagen über die Schwelle. Im Zimmer gab es einen Bistrotisch, auf dem er den Teller, das Besteck, die im Eis stehende Flasche Wein und auch das Glas verteilte.
»Dann wünsche ich Ihnen einen guten Appetit, Madame.« Er hob die Metallglocke vom Teller weg, die die Speise warm gehalten hatte.
»Ich bedanke mich.«
Der Kellner verbeugte sich und trat den Rückzug an. Glenda fand noch ein zweites Glas, in das sie den Rosé füllte. Auch sich selbst vergaß sie nicht.
Sie war soeben damit fertig, als Armand das Bad verließ und wieder das Zimmer betrat.
Er sah wirklich frischer aus, doch das war es nicht, was Glenda so erstaunte. Der Mann hatte seine Kutte abgelegt und trug eine Kleidung, die Glenda ihm nicht zugetraut hätte.
Jeans, ein Hemd und eine leichte Lederweste.
»Oh, Sie haben sich in einen normalen Menschen verwandelt und die Kutte abgelegt. Das tut auch nicht jeder Mönch.«
»Sie war mir etwas zu schmutzig.«
Glenda reichte ihm ein Glas, das er dankend annahm. Beide prosteten sich zu, tranken, und die Lippen des Mannes verzogen sich zu einem Lächeln.
»Ein guter Tropfen.«
»Danke. Aber Sie können auch etwas essen, ich habe drei Jacobsmuscheln mehr auf dem Teller als üblich und...«
»Nein, nein, das lassen Sie mal. Ich habe keinen Appetit.«
»Tatsächlich nicht?«
»Glauben Sie mir, es ist so.«
Glenda ließ es sich schmecken. Aber auch sie hatte nicht den richtigen Appetit. Die Muscheln aß sie schon, auch etwas von den Nudeln und ein wenig Gemüse.
»Haben Sie keinen Hunger?«
Glenda griff zum Glas. »Nein, nicht mehr, es reicht mir völlig aus. Zudem mache ich mir Gedanken darüber, was wir beide hier erlebt haben...«
»Das Sie ja cool durchgezogen haben«, erklärte Armand.
»Ich hatte eben Glück.«
Der Mann nahm ihr das nicht ab. Das erkannte sie an seinen Blicken. Und er gab es auch zu.
»So ganz kann ich Ihnen das nicht glauben«, sagte er. »So wie Sie hätten nicht alle Frauen reagiert.«
»In der Not wächst man über sich selbst hinaus.«
Er runzelte die Stirn. »Ich will Ihnen sagen, wie Sie mir vorkamen. Wie ein Profi. Sie haben die Nerven bewahrt und dabei so cool reagiert, dass ich nur staunen kann. Wer sind Sie?«
Glenda lächelte. »Gegenfrage. Und wer sind Sie?«
»Ein Mönch, das wissen Sie doch.«
Glenda schaute Armand an, der in Ermangelung eines zweiten Stuhls auf der Bettkante saß.
»Und wenn ich Ihnen das nicht glaube?«
»Warum nicht?«
»Weil Sie sich nicht so benehmen. Sie kommen mir vor, als hätte man Sie geschickt.«
»Wer sollte das getan haben?«
»Ich weiß es nicht. Da müssten Sie mir eine entsprechende Antwort geben.«
Er nickte. »Ja, ich bin ein Sucher, der etwas Bestimmtes finden wollte, was ich nun habe.«
Das Buch hatte er wieder mitgebracht. Es lag neben ihm auf dem Bett.
»Das dachte ich mir schon. Aber es gibt auch jemanden, der es Ihnen gern wieder wegnehmen würde.«
»Das kann ich leider nicht leugnen.«
»Und wer steckt dahinter?«
Armand senkte den Blick. »Eine bestimmte Gruppe, von der man annahm, dass es sie nicht mehr gibt. Sie sind hinter dem Buch her wie der Teufel hinter der Seele.«
»Hat diese Gruppe auch einen Namen?«
»Das hat sie.«
»Sagen Sie ihn.«
Armand dachte länger nach als gewöhnlich. Auf seiner Stirn hatte sich die Hautfalte zu einem V verschoben. Nach einigen Sekunden hatte er einen Entschluss gefasst. »Es geht nicht gegen Sie persönlich, Glenda, aber ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn ich Ihnen die Wahrheit sage. Sie würde Sie nur durcheinanderbringen.«
»Meinen Sie das wirklich?«
Glenda hatte die Frage in einem Tonfall gestellt, der Armand aufmerksam werden ließ. Er gab erneut zu, dass ihn Glenda überraschte, die auf ihrem Stuhl saß und am Rosé nippte.
»Da sind Sie nicht der Erste, der mir das sagt. Ich bin sehr interessiert, glauben Sie mir.«
»Auf jeden Fall«, erklärte er, »aber dieses Thema ist schon sehr heikel. Es ist besser, wenn Sie so wenig wie möglich wissen. Ich werde auch bald von hier verschwinden. Ich möchte nur abwarten, bis es völlig dunkel geworden ist. Dann haben Sie wieder Ruhe vor mir.«
»Davon mal abgesehen, ich reise morgen auch wieder ab und fliege zurück nach London. Ob ich allerdings wirklich meine Ruhe haben werde, dessen bin ich mir nicht so sicher.«
»Ach? Und warum nicht?«
»Ich bin eine Zeugin, und so etwas hat die Gegenseite nun mal nicht so gern.«
Armand bekam erneut seinen
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