175 - Ich - Coco Zamis
allein im Salon waren und das Gespräch zwischen Matthias und Baronin Irmgard sich noch eine Weile hinziehen würde, benutzte ich die Gelegenheit. Doch ich konnte Genevieve nicht hypnotisieren. Sie verfügte über natürliche Anlagen und eine Widerstandskraft, die meinen Versuch vereitelten. Ich wandte deshalb eine andere Beschwörung an. Genevieve erstarrte. Sie verfügte zwar über die Anlagen, aber ihre Fähigkeiten waren nicht ausgebildet. In ihren Augen las ich dann wie in einem Bildband Ausschnitte aus ihrer Vergangenheit. Doch es war schwierig. Ein starker Zauber, der nicht von Genevieve selbst herrührte, stand mir im Weg. Es handelte sich um einen Schutzzauber.
Die Angaben, daß Genevieve eine Vollwaise und im Kloster gewesen war, stimmten. Sie war wie ich eine Hexe, und ihre Familie war ausgelöscht worden, von konkurrierenden Dämonen oder dem Fürsten der Finsternis persönlich. Man hatte Genevieve ins Kloster gesteckt, vor mehreren Jahren schon, und sie dadurch den Feinden entzogen, die sie für tot hielten.
Es war der einzige Weg gewesen, sie zu retten. Ich las von Genevieves Schwierigkeiten mit ihren erwachenden magischen Kräften im Kloster und wie sie sie zu unterdrücken versuchte. Vergeblich natürlich, denn ganz konnte man eine solche Veranlagung nicht wegbringen. Ich löste Genevieve dann wieder aus meinem Bann.
Ich würde sie ausbilden und ihre Lehrmeisterin sein. Mich interessierte, was sich aus ihr machen ließ. Auch ich hatte als junge Hexe meine Lehrer gehabt. Genevieve war nicht böse, das hatte ich abermals bestätigt gefunden. Bei der Aufgabe, die zu lösen mir bevorstand, und nicht nur mir allein, konnte ich Genevieve mit ihren Hexenfähigkeiten gut neben den meinen gebrauchen.
Sie war die erste Freundin, die ich in jener Zeit fand.
Matthias erschien erst kurz vor Mitternacht wieder, allein. Die Baronin hatte sich zu Bett begeben. Matthias' Miene war ernst. Er wollte mich zuerst wegschicken, doch dann überlegte er es sich anders.
„Du sagtest, du hättest Bethela gekannt, Jana? Du weißt verblüffend viel über mich, auch über die Schwarzblütigen und ihr Wirken. Ich frage dich jetzt ganz offen: Bist du eine Hexe?"
„Ja. Aber ich gehöre nicht zur Gefolgschaft des Schrecklichen, den du als den Rittmeister Alfred von Wartstein kennengelernt hast."
Olivaro hatte mir im 20. Jahrhundert eröffnet, daß es sich dabei um keinen anderen als um Asmodi handelte. Der undurchsichtige Olivaro, für mich seit jeher ein Brechmittel, spielte in der Zeit, in der ich mich jetzt befand, eine üble Rolle.
Ich sprach jetzt eine Notlüge aus, um Matthias' Vertrauen erst einmal zu gewinnen.
„Bethela trug mir auf, sich um dich zu kümmern und dir beizustehen, wenn sie es nicht mehr kann", sagte ich. „Doch ich konnte dich nicht früher aufsuchen. Manches an mir mag dir rätselhaft erscheinen. Aber ich bin deine Freundin und Partnerin, und ich will dir und Genevieve helfen."
Matthias war ein ernstzunehmender Mann. Obwohl er noch keineswegs das Kaliber erreicht hatte, das Dorian im 20. Jahrhundert verkörperte, besaß er doch das Zeug dazu. Matthias war ein starker Dämonenkiller, neben Dorian wohl der stärkste, von dem ich bisher wußte. Es hing viel davon ab, ihn zu überzeugen.
Zu meiner Überraschung erfolgte die entscheidende Hilfe von Genevieve.
„Ich spüre, daß Jana es ehrlich meint", sagte sie. „Vielleicht sagt sie uns nicht in allen Punkten restlos die Wahrheit. Aber nur, weil sie nicht anders kann. In den wirklich wichtigen Dingen sagt sie sie. Und sie kennt sich besser aus als wir, was die Ränke der finsteren Mächte betrifft, die meine Familie auslöschten. Das Kloster hat mir ein paar Jahre lang eine Zuflucht geboten, daß ich überhaupt heranwachsen konnte. Doch das ist Vergangenheit."
„Gut", sagte Matthias. „Ich will dir vertrauen, Jana Collandt. Ist das überhaupt dein richtiger Name?"
„Du wirst mich unter keinem anderen kennenlernen", antwortete ich. „Ich bin Jana Collandt, die aus dem Balkan stammt. Mein Vater war Holländer, deshalb der Nachname. So habe ich mich vorgestellt, und dabei bleibe ich. Jetzt zu dir, Matthias. Was hast du über deine Herkunft erfahren?"
„Ich habe königliches Blut in den Adern", entgegnete Matthias bitter. „Doch ich sehe darin keinen Anlaß zur Freude."
Er erzählte die ganze Geschichte, die ihm die Baronin erst heute abend völlig eröffnet hatte. Matthias war der illegitime Sprößling des Dänenkönigs, über dessen
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