175 - Ich - Coco Zamis
Jüngling stellte sich mir dann vor, als ich ihn zu mir herrief.
Er war noch keine 18 Jahre alt und ein Pastorensohn aus dem Hannover sehen, wie er mir bereitwillig erzählte. Seine Familie war vor 14 Monaten in den Kriegswirren umgekommen, und ihn hatte es unter die Landsknechte verschlagen. Schnabel, der eigentlich zum Pastor bestimmt gewesen war und schon mit dem Studium begonnen hatte, hatte es unter der rohen Soldateska nicht gefallen. Der Ton und die Bräuche dort stießen ihn ab.
Weil er eine schöne Handschrift hatte, war er eine Weile Regimentshilfsschreiber gewesen. Die Schikane des Hauptschreibers setzten ihm zu, und schließlich hatte der Fußtritt, den ihm ein betrunkener Offizier ungerechtfertigt versetzte, den Ausschlag gegeben. Schnabel war desertiert, durch die Lande vagabundiert und schließlich im letzten Winter bei bitterer Kälte fast verhungert und erfroren vorm Schloß Mummelsee erschienen.
Die Baronin hatte ihn aufgenommen, und seitdem war er da und machte sich nützlich. Mit den Soldaten der Schloßgarnison verstand er sich jedoch gar nicht so gut. Schnabel hatte eine natürliche Abneigung gegen das Waffenhandwerk und diejenigen, die es berufsmäßig ausübten. Das gestand er mir ganz offen.
„Ein Landsknecht braucht nicht mehr Gehirn als ein Pferd", sagte er. „Alles, was darüber hinausgeht, gereicht ihm und dem Heer bloß zum Nachteil. Oder seid Ihr anderer Ansicht?" „Teils, teils. Du hast ein loses Mundwerk, Christoph."
„Soll ich vielleicht lügen?"
Ich stellte ihm eine Falle und fragte, was er denn von Matthias halte, der schließlich auch bei den Landsknechten gewesen sei, sogar im Offiziersrang. Schnabel antwortete, er kenne ihn noch zu wenig, um darüber urteilen zu können.
Jetzt trat Matthias um die Ecke. Er hatte den letzten Teil unserer Unterhaltung gehört. Er war nicht viel älter als Schnabel, doch in jeder Beziehung ein ganz anderer Typ als der junge Schloßgehilfe, Schreiber und Bibliothekar.
Schnabel fürchtete schon, einen strengen Verweis zu erhalten. Doch Matthias war weit davon entfernt.
„Ich schätze es, wenn jemand seinen Kopf gebraucht und sich nicht vor falscher Ehrfurcht am Boden windet", sagte er. „Wir werden uns vermutlich gut vertragen. Wollt Ihr mit uns zu Abend essen, Dame Collandt? Meine werte Stiefmutter, Baronin Irmgard, wird mit zu Tisch sein."
„Gern."
Beim Abendessen am zweiten Tag meines Aufenthalts im Schloß lernte ich die Baronin, eine kleine, verschüchtert wirkende Frau, die dennoch hochherrschaftlich aufzutreten versuchte, erstmals persönlich kennen. Die Dienerschaft bediente uns bei Tisch. Eine mittlere Hypnose war nötig, um die Baronin dazu zu bringen, mich nicht nur als Matthias' Gast zu betrachten, sondern von sich aus einzuladen. Ich nistete mich praktisch im Schloß Mummelsee ein, hielt es aber für gerechtfertigt. Matthias und Genevieve hatten während des Essens nur Augen füreinander. Nach dem Abendessen musizierte die Baronin auf dem Spinett. Wir saßen dabei, und Matthias hielt Genevieves Hand. Endlich bat er Baronin Irmgard, ihm doch die versprochene Unterredung zu gewähren, die ihm die noch fehlenden Auskünfte über seine Abstammung vermitteln sollte.
Die Baronin zauderte, überwand sich dann aber. Sie verschwand mit Matthias in der Bibliothek, und sie blieben längere Zeit dort. Währenddessen unterhielt ich mich im Salon mit Genevieve de Rohan. Längst hatte ich meinen Reitanzug mit einem aus dem Landsknechtslager mitgebrachten Kleid vertauscht. Genevieve wollte nicht recht heraus mit der Sprache.
Ich erfuhr nur, daß sie aus Frankreich stammte und eine Vollwaise war. Es gab ein Geheimnis um ihre Familie. Mir war jetzt bereits klar, daß Matthias, Genevieve und ich zusammengehörten, und ich wollte die Zweifel zwischen uns ausräumen, indem ich Genevieve fragte, ob sie es verstehe, mit einer magischen Kristallkugel umzugehen.
Genevieve erschrak.
„Aber… das sind verbotene Hexenkünste, Dame Collandt. Ich habe die letzten Jahre in einem Kloster verbracht, und dort hat man mich dergleichen Dinge gewiß nicht gelehrt."
„Aber du hast davon gehört?"
„Ja." Sie wich meinem Blick aus, und ich konnte sie nicht hypnotisieren. „Doch es ist eine schwere Sünde, zu hexen. Die Seele verfällt dadurch der ewigen Verdammnis."
„Es hängt davon ab, wozu man die Fähigkeiten benutzt, die man hat", antwortete ich. „Zum Guten oder zum Bösen."
„Ja, aber trotzdem…"
Genevieve schaute mich an. Da wir
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