1759 - Die Outlaws von Unith
Meinung gewesen waren, den Verlust der besonderen Ausstrahlung ihrer Hamamesch-Waren mit einiger Selbstbeherrschung wegstecken zu können, hatten längst ihren Irrtum eingesehen. Lissner gehörte zu diesem Kreis. Zuerst waren die Entzugserscheinungen noch beherrschbar gewesen. Mit Arbeit hatte er sie verdrängt, mit den Vorbereitungen für die Ankunft in Hirdobaan, aber schon nach wenigen Wochen hatte die Monotonie an Bord Einzug gehalten.
Selbst Lissner schwankte zwischen überschwenglicher Hoffnung und tiefer Verzweiflung und schluckte Psychopharmaka, deren Wirkung mit jeder neuen Dosis nachließ. Tage und Wochen, in denen er sich unbeeinträchtigt fühlte und nur drängende Wehmut verspürte, wechselten ab mit Phasen tiefer Depression, während denen er sich auch schon in seiner Kabine eingeschlossen und jede Nahrungsaufnahme verweigert hatte. Seit dem Eintreffen der Flotte in Hirdobaan war alles noch schlimmer.
Der Kommandant ergriff die Flucht nach vorne. Er hob die Arme und heischte um Ruhe. „In einigen Tagen werden wir mehr Imprint-Waren haben, als wir benötigen", sagte er. „Das verspreche ich."
Ein gräßlicher Juckreiz im Rüssel trieb ihm Tränen in die Augen. Für einen Augenblick war er versucht, die Finger in die Öffnung zu bohren und sich zu kratzen, aber dann griff er nur nach dem Schmuckband, das er für einen sündhaften Preis im Basar TIRARIM außerhalb des Arkon-Systems erworben hatte. Das Schmuckstück, zwei Finger breit, aus drei mit undefinierbaren Steinen besetzten und durch filigrane Verzierungen miteinander verbundenen Reifen bestehend, war schon fast mit der Rüsselhaut verwachsen. Lissner spürte einen stechenden Schmerz, als er das Unikat abstreifte und es Mornhag vor die Füße warf. Der Computerspezialist starrte ihn verblüfft an.
„Worauf wartest du?" stieß der Kommandant gereizt hervor. „Nimm den Schmuck an dich!"
Der Kommandant vollführte eine beleidigende Geste. „In spätestens fünf Tagen haben wir genug davon. Jeder von uns. Also geht endlich zurück an eure Arbeit!"
Unnachgiebig dröhnte seine Stimme durch die Zentrale. Die nachfolgende Stille verriet, daß die Worte und die Geste ihre Wirkung nicht verfehlt hatten.
Tarmile war die erste, die ihre Fäuste sinken ließ und sich umwandte. Diered folgte ihr, dann Zausoff.
Schließlich waren Mornhag und Xomun allein den brennenden Blicken der anderen ausgesetzt.
Der Weißhäutige hob endlich den Schmuck auf und streifte ihn sich über den Rüssel.
„Fünf Tage", keuchte er. „Aber keine Stunde länger."
*
Aus weit aufgerissenen Augen starrte Andremon die kleine, knapp zwei Handspannen messende Skulptur an. Vergeblich versuchte er, die schon wieder abflauenden Empfindungen festzuhalten; seine Gedanken wirbelten wild durcheinander. Panik und Entsetzen verdrängten das für Sekundenbruchteile empfundene Glücksgefühl.
Diese Statuette...
„Was ist los mit dir?" Wie aus weiter Ferne vernahm er Korsaks Stimme.
Andremon reagierte nicht. Er war innerlich erstarrt, glaubte immer noch zu spüren, daß die Figur aus einem unbekannten Material sich sanft und wohlig warm an ihn schmiegte.
Eine flüchtige Berührung nur, doch sie ließ ihn wie damals empfinden, als er im Basar, eingekeilt zwischen schwitzenden, ungeduldigen Leibern, zum erstenmal eine der besonderen Hamamesch-Waren gesehen hatte. Eine Reliefplatte. Das Herz war ihm fast stehengeblieben, und er hätte sein gesamtes Vermögen, ja sogar die Hälfte seines Lebens dafür geopfert.
Noch heute begriff er nicht, wie mit ein paar eingeritzten Linien die atemberaubende Weite einer unbekannten exotischen Welt so treffend nachgebildet werden konnte. Stundenlang hatte er das Relief betrachtet, hatte darüber die Nahrungsaufnahme und den Schlaf vergessen, hatte in Gedanken das Universum durcheilt und jene unbegreiflich schöne Welt gesucht, für die es wohl bei allen Völkern eine ähnliche Bezeichnung gab. Das Synonym für Paradies existierte in jeder Sprache.
„Geh mir aus dem Weg!" herrschte Korsak ihn an. „Ich will die Ware sehen. Wenn Karlom mit ihr experimentiert hat, dann nicht ohne Grund."
Viel zu schnell war damals die besondere Ausstrahlung des Bildes erloschen. Eine Platte mit willkürlich hineingekratzten Schraffuren - das behauptete seitdem Andremons Verstand. Dennoch hatte er sich der Verlockung nicht entziehen können, hatte sein letztes Kapital zusammengekratzt, unter Angabe falscher Daten horrende Darlehen aufgenommen und sich mit
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