176 - Geliebter Höllenkater
Hellgraue Atemfahnen flogen aus seinem Mund. Es war kalt, aber Sutherland schwitzte, denn er hatte rasch gegraben, und er hatte seiner Tochter, die im Wagen bleiben mußte, aufgetragen, die Augen offenzuhalten. Wenn jemand kam, sollte sie ihm Bescheid geben, doch das stellte sich als überflüssige Vorsichtsmaßnahme heraus.
Ungestört und unbemerkt konnte er seine Arbeit tun. Der Boden war hart. Sutherland hatte Mühe, das stumpfe Blatt des Klappspatens hineinzustoßen. Er scharrte, hackte und grub Lennies Grab.
Als er den schwarzen Müllsack holte, blieb Linda nicht länger im Wagen.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ist er da drinnen?« fragte sie erstickt.
»Ja, Kleines.«
»Ich möchte ihn noch einmal sehen, bevor du ihn eingräbst.«
»Das geht nicht. Wir haben nicht soviel Zeit, Linda. Oder willst du, daß uns doch noch jemand beobachtet und wir Lennie wieder ausgraben müssen?«
»Bitte, Daddy!«
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als den Sack zu öffnen. Als Linda das tote Tier sah, fing sie an zu weinen.
»Ich hätte nicht nachgeben sollen«, sagte Sutherland mißmutig. Er trug Lennie zur Grube und legte ihn vorsichtig hinein.
Als die ersten Erdkrümel auf den Sack prasselten, schrie Linda auf und rannte laut weinend zum Wagen.
Sutherland beeilte sich, den Kadaver mit Erde zuzudecken.
Linda wollte in den Wagen steigen. Etwa drei Meter davon entfernt ragte der Stamm eines großen alten Baums auf, und daneben stand eine seltsame Frau.
Sie war schwarz gekleidet, dürr und häßlich. Kein freundlicher Zug befand sich in ihrem alten Gesicht.
Unheimlich sah sie aus, und Bosheit glitzerte in ihren Augen, aber sie sagte etwas, das Linda gern hörte: »Vielleicht kann ich deinem Kater helfen.«
***
Als Peter Sutherland seinen Wagen erreichte, saß Linda wieder im Fond. Sie starrte auf den Baum, hinter dem die häßliche Alte verschwunden war.
»Ist irgend etwas nicht in Ordnung, Kleines?« fragte Sutherland. »Was hast du, Linda?«
»Da war eine häßliche alte Frau.« Das Kind drehte sich nicht um.
»Wo ist sie jetzt?« wollte Sutherland aufgeregt wissen.
»Ich weiß nicht. Ich habe sie nicht Weggehen sehen. Sie müßte eigentlich noch hinter dem Baum stehen.« Sutherland lief zu dem Baum, doch dahinter befand sich niemand. Er kehrte um. »Bist du sicher, jemanden gesehen zu haben, Kleines?«
»Die Frau sagte, sie könne Lennie vielleicht helfen,«
Eine Verrückte, dachte Sutherland. »Hat sie sich unseren Wagen angesehen?« erkundigte er sich. »Interessierte sie sich für unser Kennzeichen?«
Linda schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, Daddy.«
»Gut, dann laß uns jetzt von hier verschwinden.« Er stieg hastig ein und fuhr nach Hause.
Tags darauf kamen Warren Adams und Paul Kaufman. Es ging ihnen gut. Adams, rothaarig und sommersprossig, und Kaufman, dick und schwerfällig, hatten zusammengelegt und für Linda eine Puppe gekauft, die fast so groß war wie sie und sprechen konnte.
»Das ist mir aber gar nicht recht«, sagte Meryl Sutherland. »Die Puppe muß sehr teuer gewesen sein. Sie sollten sie zurücktragen und sich Ihr Geld wiederholen.«
»Kommt nicht in Frage«, erwiderte Adams. »Ihre Tochter hat einen sehr guten Freund verloren. Wir möchten ihn ersetzen.«
»Das könnt ihr nicht! Niemand kann das!« rief Linda zornig. »Ich will eure blöde Puppe nicht! Ihr könnt sie behalten!«
»Hör dir erst mal an, was sie alles zu sagen hat«, schlug Warren Adams friedlich vor. »Sie spricht sehr viel.«
»Ich will es nicht hören!«
»Man braucht nur auf diesen Knopf zu drücken. Möchtest du es einmal versuchen?«
»Nein!« schrie Linda. Ihre Stimme überschlug sich.
Adams drückte auf den Knopf, und die Puppe fing an zu reden, doch Linda hielt sich die Ohren zu und verlangte lautstark, ihre Mutter solle die beiden mitsamt der Puppe hinauswerfen.
Sie gingen freiwillig. Die Puppe ließen sie da, als wollten sie damit ihr Gewissen beruhigen.
In der darauffolgenden Nacht wachte Linda plötzlich auf. Irgend etwas hatte das Kind geweckt. Es setzte sich auf und lauschte in die dunkle Stille.
Wovon war sie wach geworden?
Hatte sie im Schlaf ein Kratzen an der Tür wahrgenommen? Sie verließ das Bett, trug ein bodenlanges rosarotes Nachthemdchen mit weißen Spitzen am Kragen.
Sie dachte nicht daran, in die Pantoffel zu schlüpfen. Barfuß begab sie sich zur Tür und öffnete sie. Ein gespenstisch kühler Hauch wehte sie an, doch sie hatte keine Angst.
Unheimlich
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