1764 - Jagd nach dem Glück
zweite.
Wie ging es weiter? Woran wollten sie sich laben?
Es klang wie ein lächerlicher Kinderreim, aber es mußte eine Bedeutung für ihn haben. Eine verschlüsselte Botschaft vielleicht? Mußte er sie erst deuten, um sie richtig zu verstehen?
Kam sie von Cynan?
Cyrns schrecklicher Vater hatte nie um etwas herumgeredet, wenn er ihm als Phantom erschien. Er hatte immer klar gesagt, was er wollte - brutal klar.
Was also bedeutete das alles?
Cyrn hatte wieder das Bild in der Hand und betrachtete das junge Gesicht. Vorhin war es ihm plötzlich so gewesen, als blicke er in einen Spiegel. Er war erschrocken, dann hatte er darüber gelacht, aber nicht lange.
Er fühlte sich immer mehr von diesem Gesicht angezogen. Das Gefühl, einen Anker in sich zu haben, wurde fast unerträglich stark, wenn auch nicht quälend. Wenn Cyrn bei dem Vergleich blieb, mußte die Kette, an welcher der Anker hing, stärker und stärker angespannt werden - bis sie entweder platzte oder sich etwas losriß.
Die Bilder des durchgedrehten Malers fielen ihm ein, Samuel Nyrtii. Er war ein Genie gewesen und hatte ein letztes Werk geschaffen, das ihn selbst so erschreckt haben mußte, daß er sich aus der kleinen Schleuse stürzte, deren Wände und Decke ihm als Malfläche gedient hatten.
Ein Kopf, Cyrns Kopf. Ein menschlicher Schädel mit drei Kammern darin. Zwei davon waren bewohnt.
Die eine von ihm, Cyrn Dow, die zweite von seinem Dämon, von Cynan, der im Augenblick ruhig war, aber nie aufgeben würde. Der Mann, der ein Leben erschaffen und zugleich zerstört hatte, wartete ab. Er wollte ihn besitzen, seinen Geist und vielleicht auch seinen Körper.
Die dritte Kammer, war wie eine Wohnung, die auf ihren Besitzer wartete.
Dieses Mädchen, das ihn so faszinierte?
„Cyrn!"
Er schrak auf und legte das Bild wieder zurück. Er wollte antworten, doch seine Kehle war wie ausgetrocknet. Nur ein Krächzen brachte er zustande; er trank etwas, bevor er sich meldete. Die Bildübertragung ließ er dabei ausgeschaltet.
„Cyrn, warum schließt du dich ein?" fragte Vany Blayssys. „Komm zu uns in die Zentrale - oder zu mir in meine Kabine, falls dich die Menschen stören. Sie sind ziemlich aufgeregt, zugegebenermaßen, aber das ist ganz normal."
„Jetzt nicht, Vany", gab er zurück. „Origer wird mich rufen, wenn wir soweit sind und zum Basar fliegen müssen. Wir ..."
„Hast du gerade gesagt >müssen<, Cyrn?" fragte die Pilotin entgeistert.
„Ich habe mich versprochen, na und?" Er war schroffer als beabsichtigt, holte tief Luft und schüttelte den Kopf. „Entschuldige, Vany. Es war nicht so gemeint. Ich danke dir, aber im Augenblick bin ich ..."
Er fand nicht die Worte, nach denen er suchte. Er hatte Angst, daß alles, was er ihr sagte, ihn verraten könne.
Und wenn er die Bildübertragung aktivierte - was würde sie sehen? Ihn, wie sie ihn kannte, oder einen Mann mit drei Kammern im Kopf?
„Etwas stimmt mit dir nicht, Cyrn", sagte sie beharrlich. „Ich meine damit nicht deine bekannten Probleme. Du brauchst Hilfe. Laß mich sie dir geben, Cyrn! Was immer es ist - du weißt doch, daß du mir vertrauen kannst!"
„Es geht mir gut, Vany", log er, denn es ging ihm überhaupt nicht mehr gut.
Er mochte sie, vielleicht hätte er sie sogar lieben können, aber er fühlte sich jetzt unter Druck gesetzt. Und das war das letzte, was er brauchen konnte. Er hatte es immer schon gehaßt.
Er war gern mit ihr zusammen und sicher, daß sie nicht log: Wahrscheinlich war sie der einzige Mensch auf dem Schiff, dem er tatsächlich vertrauen konnte, dem er alles sagen konnte. Früher hätte er sich nichts sehnlicher gewünscht, aber nicht jetzt, da etwas ablief, das er nicht verstand, aber dessen Mittelpunkt er war.
Was auch immer kam, er mußte und wollte allein sein, wenn es geschah.
Er wollte Vany nicht weh tun und kam sich vor wie ein Dreckskerl, als er ihr zu verstehen gab, daß er jetzt nichts weiter hören wollte.
„Du mußt es selbst wissen, Cyrn", sagte die Akonin. Ihre Stimme klang nicht beleidigt, sondern enttäuscht und traurig. „Solltest du es dir anders überlegen: Ich bin gleich in meiner Kabine und warte.
Origer meint übrigens, daß wir in vielleicht schon fünf Stunden an der Reihe sind. Es geht viel schneller als erwartet. Mindestens fünfzig Schiffe sind schon wieder gestartet."
„Wir sehen uns dann", sagte Cyrn. Er hatte das Gefühl, ihr etwas Versöhnliches sagen zu müssen.
„Mach dir um mich keine Sorgen. Alles wird
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