177 - Die Todeskralle
ich es von Verloc.«
Er senkte den Blick, seine Lippen zitterten. »Es ist so schrecklich lange her«, sprach er tonlos, »ich hätte nicht gedacht, daß mich die Vergangenheit jemals einholen würde. Wie die meisten Jugendlichen suchten auch wir nach Idealen. Wir fragten nach dem Sinn des Lebens und waren mit nichts zufrieden. Wir lehnten uns gegen die bestehende Gesellschaftsform auf, wandten uns ab von allem, was bisher für uns Gültigkeit gehabt hatte.
Victor Hannon brachte uns mit einem Mann zusammen, der eine Satanssekte leitete. Als wir zum erstenmal an einer schwarzen Messe teilnahmen, wußten wir: Das ist es! Das wollen wir! Das bringt uns die totale Erfüllung! Aber wir wollten nicht nur Mitglieder einer Sekte sein, sondern eine eigene gründen.
Ich übernahm die Leitung und zelebrierte die Messe. Ich ging voll und ganz in dieser Aufgabe auf. Es hatte mich gepackt. Wir schlachteten während der schwarzen Zeremonien Hühner und tranken ihr Blut. Wir taten, was in den schwarzen Büchern stand, die wir nur über gute Beziehungen in die Hände bekamen.
Eines Tages sagte ich, es genüge nicht, der Hölle Tiere zu opfern. Ein Mensch müsse es sein! Doch davon wollten Hannon, Shedeen und Verloc nichts wissen. Ich aber war von dieser Idee fasziniert. Sie ließ mich nicht mehr los. Ich war fanatischer als meine Freunde, nahm die Sache wesentlich ernster als sie. In den schwarzen Büchern stand, daß nichts den Kontakt zum Bösen mehr vertiefen könne als ein Menschenopfer. Unvorstellbare Dimensionen würden sich einem erschließen. Das wollte ich erleben.
Ich holte mir ein Straßenmädchen, gab ihr so viel Geld, daß sie einwilligte, bei meiner schwarzen Messe das Opfer zu spielen. Sie hatte natürlich keine Ahnung, wie ernst es mir damit war und daß sie nach der Messe tot sein würde. Sie fand das alles wahnsinnig aufregend und amüsant. Ich ließ Hannon, Shedeen und Verloc wissen, daß ich ein Opfer beschafft hatte, doch sie waren nicht bereit, an der Zeremonie teilzunehmen, und so feierte ich die schwarze Messe allein…«
Er brach ab und wischte sich fahrig über die Augen.
»Die versprochene Erfüllung blieb aus. Es erschlossen sich für mich keine unglaublichen Dimensionen. Bittere Enttäuschung machte sich in mir breit, und Gewissensbisse nagten heftig. Alles Lüge! Aber diese Erkenntnis kam zu spät. Ich hatte ein Menschenleben auf dem Gewissen. Ich versuchte mich damit zu trösten, daß es kein besonders wertvolles gewesen war. Meinen Freunden erzählte ich nichts. Sie wußten es trotzdem. Aber sie verrieten mich nicht. Sie beschränkten sich darauf, den Umgang mit mir einzustellen. Das vierblättrige Kleeblatt zerfiel. Jeder lebte sein eigenes Leben und wollte von der gemeinsamen Vergangenheit nichts mehr wissen. Lediglich Hannon und Shedeen trafen sich hin und wieder. Der Grund lag im geschäftlichen Bereich.«
Zwischen meinen Schulterblättern hatte sich eine Gänsehaut gebildet.
Carmichaels Geständnis berührte mich höchst unangenehm.
Immer wieder liest man von Satanssekten und Hexenzirkeln. Ich halte sie für gefährlich, denn sie können Brutstätten des Bösen sein.
Robert Carmichael war ein Beispiel dafür.
»Als Washington Sie rief, wollten Sie Hannon, Shedeen und Verloc loswerden«, sagte ich. .
Carmichael nickte müde. »Vielleicht hätten sie weiter geschwiegen, aber ich konnte nicht sicher sein, daß sie diesen Trumpf nie aus dem Ärmel ziehen würden.«
»Deshalb baten Sie Zachariah, Ihnen zu helfen. Wie nahmen Sie mit ihm Kontakt auf?«
»Er trat mit mir in Verbindung. Er wußte verblüffend genau über mich Bescheid.«
»Er sagte, er könne Ihnen helfen, und Sie nahmen sein Angebot an.«
»Ich hatte keine andere Wahl«, behauptete der Professor.
»Oh, kommen Sie mir nicht so, Carmichael!« sagte ich ärgerlich. »Sie haben ein Mädchen ermordet!«
»Die Tat ist verjährt.«
»Mord verjährt nicht, schon gar nicht in Ihrem Gewissen!«
»Verstehen Sie denn nicht? Diese hohe Ehre, diese Auszeichnung! Nicht viele bekommen die Chance, nach Washington geholt zu werden. Hätte ich wegen eines billigen Straßenmädchens, das niemand vermißte, darauf verzichten sollen?«
»Sie haben einen Menschen getötet, Professor!«
»Ich bitte Sie, wie viele Menschen werden von Menschen im Krieg umgebracht? Wenn das in Ordnung ist, dann ist mein Motiv wesentlich edler.«
»Meine Güte, wenn ich Ihnen noch weiter zuhöre, wird mir schlecht, Carmichael!« brauste ich auf.
»Er wird
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