177 - Die Todeskralle
Carmichael.
Ich nickte. »Ja.«
»Er hat Victor Hannon ermordet, und nun glaubt Mr. Bannister, daß auch mein Name auf der Liste dieses geistesgestörten Killers steht.«
»Sie können davon ausgehen, daß Zachariah vieles ist, Professor, aber eines ist er mit Sicherheit nicht: geistesgestört.«
»Na, hören Sie, welcher normale Mensch begeht so einen aufsehenerregenden, grausamen Mord? Aber lassen wir das dahingestellt. Was ich sagen wollte, ist, daß ich sicher bin, diesen Zachariah nie zu Gesicht zu bekommen. Er rief die Polizei an und sagte, er würde auch Hannons Freunde umbringen. Okay, nehmen wir einmal an, daß das wahr ist. Ich habe vor langer Zeit auf gehört, Victor Hannons Freund zu sein.«
»Wie Shedeen und Verloc«, sagte ich.
»Genau«, pflichtete Robert Carmichael mir bei.
»Nun, Shedeen ist tot und Verloc halbtot. Als Noel Bannister Sie besuchte, wußte er das noch nicht. Sind Sie immer noch der Ansicht, daß Zachariah nicht die auf dem Foto befindlichen Personen meinte, Professor?«
Carmichael lachte mit kratziger Stimme. »Warum sollte uns jemand nach dem Leben trachten?«
»Ich hatte gehofft, von Ihnen darauf eine Antwort zu bekommen«, sagte ich.
»Von mir?« fragte Carmichael verblüfft.
»Bitte, korrigieren Sie mich, wenn ich etwas Falsches sage, Professor«, bat ich. »Es waren einmal vier Freunde…«
»Das fängt wie ein Märchen an.«
»Und wie viele Märchen ist auch dieses sehr grausam«, sagte ich. »Diese vier Freunde waren jung und übermütig. Sie heckten so manchen Streich aus und schlugen ab und zu gehörig über die Stränge, aber davon erfuhr niemand, denn die Freunde hielten wie Pech und Schwefel zusammen. Einer konnte sich auf die Verschwiegenheit des anderen verlassen. Was sie an Verbotenem getan hatten, blieb ihr streng gehütetes Geheimnis. Zehn, zwanzig, fast dreißig Jahre lang. Die Freunde waren schon längst nicht mehr beisammen, aber sie schwiegen immer noch. Drei von ihnen machten Karriere, dem vierten lag nichts daran, in schwindelnde Höhen aufzusteigen. Eines Tages wird Washington auf einen unserer Freunde aufmerksam. Er ist ein sehr ehrgeiziger Mann, der dem Ruf sehr gern folgen möchte, aber was ist mit seiner Vergangenheit? Werden die ehemaligen Freunde weiter dichthalten? Wenn er nach Washington geht, ist er erpreßbar. Die Freunde können ihn unter Druck setzen. Wenn du dies oder jenes nicht für uns tust, reden wir! Der ehrgeizige Mann befindet sich mit einemmal in einer scheußlichen Zwickmühle. Er will da raus. Wenn die Öffentlichkeit erfährt, was er in jungen Jahren angestellt hat, zerplatzt Washington, sein großer, wunderbarer Traum, wie eine Seifenblase. Doch nicht nur das. Er ist für den Rest seines Lebens erledigt. Dieses Risiko kann er nicht eingehen. Er muß gegen seine einstigen Freunde etwas unternehmen. Aber was? Wie kann er sie für immer zum Schweigen bringen? Da ist auf einmal ein Name, die Lösung aller Probleme: Zachariah! Ich weiß nicht, wie unser Mann mit diesem Killer in Verbindung tritt. Fest steht nur, daß er es tut. Und Zachariah wird aktiv. Er tötet Hannon und Shedeen und schafft es auch fast bei Verloc. Nur einen der vier Freunde läßt er ungeschoren: Sie, Professor Carmichael. Was sagen Sie zu dieser Geschichte?«
»Ich muß sagen, sie hört sich reichlich phantastisch an«, antwortete der Harvard-Professor.
»Ja, so hört sie sich möglicherweise an, aber ist sie es auch? Noel Bannister kommt zu Ihnen. Er hat einen Kampf mit Zachariah hinter sich: In Washington stürzte er vom Dach eines Wolkenkratzers, und Zachariah dachte, er wäre tot. Er konnte nicht wissen, daß Bannister sich in New York aufhält. Doch kaum besuchte er Sie, tauchte Zachariah in seinem Hotel auf und entführte ihn. Nun sagen Sie mir, was ich von all dem halten soll, Professor?«
Carmichael schwieg. Er preßte die Lippen fest zusammen, sah verdammt trotzig aus.
»Sie haben mich kein einziges Mal korrigiert, Professor«, sagte ich. »Sollte ich mit meiner Geschichte etwa richtig liegen? Ist sie wahr?«
Carmichael sagte nichts.
»Ist meine Geschichte wahr, Professor Carmichael?« fragte ich mit erhobener Stimme.
Er sank in sich zusammen wie eine aufblasbare Puppe, aus der man die Luft läßt. Seine Körperhaltung glich einem vollen Geständnis. Als er den Kopf hob und mich anschaute, war sein Gesicht ungesund grau.
»Was ist damals passiert, Professor?« fragte ich. »Womit wären Sie zu erpressen? Wenn Sie es mir nicht sagen, erfahre
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