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177 - Im Reich der Hydriten

177 - Im Reich der Hydriten

Titel: 177 - Im Reich der Hydriten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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als er später nackt und nass im Ufergras saß, war sein Herz fröhlich. Ja, es war gut, ein Mensch zu sein!
    Er wartete. Er schlief ein. Er wachte auf, er schwamm erneut in die Mitte des Stroms, tauchte zurück ans Ufer und wartete weiter. In Gedanken begann er den Namen dessen zu rufen, den er verehrte, seit er denken konnte; seit über achthundert Jahren.
    Sie tauchten auf, als der Abend kam. In der Mitte des Stroms sah er ihre Scheitelkämme leuchten – türkisfarben der eine, rötlich-violett der andere. Sie schwammen zu ihm. Im seichten Uferwasser verharrten sie eine Zeitlang und blickten zu ihm herauf. Er kannte beide. Der ältere, der mit dem türkisfarbenen Scheitelkamm, war zu seiner Zeit Mitglied des Geheimrates gewesen. Er hieß Neph’turain.
    »Nenne deinen Namen«, forderte dieser.
    »Ihr kennt meinen Namen«, antwortete Utna’pischti.
    »Ich bin Ramyd’sam. Der Große, der Letzte, der Neunundzwanzigste.«
    »Und wer ist der, an den du seit der Mitte des Lichtes unablässig denkst?«
    »Gilam’esh, der Große Weltenwanderer. Der Lehrer der Hydriten, wie diejenigen Hydree sich nennen, die seiner Weisheit anhängen. Die Güte und die Nachsicht der Schöpfer sei mit dir, Neph’turain, und auch mit dir, junger Euga’mot. Wo habt ihr euren Fisch gelassen?«
    »Er weidet ein Stück stromabwärts auf dem Grund des Stromes.« Die beiden Boten aus Gilam’esh’gad stiegen ans Ufer und setzten sich rechts und links von Utna’pischti ins Ufergras. »Er hätte zu viel Aufsehen erregt, wenn wir hier in der Nähe der Siedlung und der Tempelanlage mit ihm aufgetaucht wären.«
    Neph’turain blies das Wasser aus den Kiemen und sog die Luft in seine Lungen. Utna’pischti wunderte sich insgeheim, dass der alte Hydrit noch lebte. Zu der Zeit, als er selber seinen Geist auf den halbtoten Kaj’in übertrug, lag die Lebenserwartung der Hydriten schon bei weniger als vierhundert Umläufen. Und Neph’turain war damals bereits zweihundert Umläufe alt gewesen.
    Warum die Zellalterung seiner Gattung sich beschleunigte – praktisch mit jeder Generation – wusste er nicht zu sagen. Keiner der hochrangigen Forscher von Gilam’esh’gad hatte es herausgefunden.
    »Die vom Menschengeschlecht vermehren sich rasch entlang der Stromufer«, sagte der uralte Fischmensch.
    »Und sie werden immer gewalttätiger. Deine Lehren fruchten nicht, wie es scheint.«
    »Es sind immer nur Einzelne, die sich neuen Gedanken öffnen.« Utna’pischti blieb kurz angebunden und wechselte rasch das Thema. »Euer Ruf klang dringend. Steht es schlecht um Gilam’esh’gad?«
    »Es steht schlecht um die Anhänger des Schrecklichen Mar’os«, antwortete Neph’turain. »Die Hydree wissen nicht einmal, wie schlecht es um sie steht. Ihr Untergang steht kurz bevor. Noch neunzig Lichter, dann werden die Molekularbeschleuniger aktiviert.«
    »Das ist Wahnsinn!« Wie flehend hob Utna’pischti die Arme zum Himmel. »Hat sich der fanatische Pozai’don also durchgesetzt!«
    »Er und sein Erzeuger, ja. Nach sieben Neuwahlen und fast dreihundert Umläufen haben sie den Einsatz der Molekularbeschleuniger endlich durchgesetzt.«
    »Nun, ich ahnte es. Nicht umsonst habe ich mich für das Leben in Menschengestalt und als Lehrer des Menschengeschlechts entschieden.« Utna’pischti runzelte die Stirn und musterte den Hydriten zu seiner Rechten.
    »Habt ihr mich gerufen, um mir zu berichten, was ich längst wusste, Neph’turain?«
    »Wir haben dich gerufen, um dich zu warnen, Ramyd’sam.« Neph’turains Scheitelkamm nahm eine blassgrüne Färbung an, seine Stimme klang auf einmal sehr ernst. »Der Geheimrat wird die Waffe in großem Stil einsetzen.«
    »Was heißt das?«
    »Vierzig Molekularbeschleuniger sind auf ebenso viele Großstädte der Hydree gerichtet. Einige Ingenieure fürchten eine Kettenreaktion, wenn das Wasser in den Zielgebieten erhitzt wird. Das hätte verheerende Folgen auch für die vom Menschengeschlecht. Vielleicht sogar für dich.«
    »Und Pozai’don? Was sagt er zu diesen Prognosen?«
    »Pozai’don sagt: Es gibt sowieso schon viel zu viele Menschen. Sie machen eine Menge Lärm, sie töten und betrügen einander, und es könne nichts schaden, sie von der Oberfläche der Erde zu tilgen.« Der uralte Neph’turain zuckte gleichgültig mit den Schultern.
    »Oder ihre Menge wenigstens so drastisch zu reduzieren, dass sie niemanden mehr stören außer sich selbst.«
    Utna’pischti wurde blass. Kein Wort brachte er mehr über die

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