177 - Im Reich der Hydriten
habt: Mögen die Schöpfer euch zum Trost unser Vorbild leuchten lassen!
***
Er sank. Die rotbraune Fläche zwölf Meter über ihm war die Unterseite des Schlauchbootes, die grauweiße, dreißig Meter lange Fläche der Mammutfisch. Der dünne schwarze Strich sechs Meter unter ihm war der Kombacter. Auch der sank.
Vogler erinnerte sich an den eisigen Schrecken, der ihm durch die Glieder gefahren war, als der Rachen des Riesenfischs sich plötzlich vor dem Schlauchboot geöffnet hatte. Er erinnerte sich an den Blitz, der aus dem Kombacter in den Himmel gezuckt war.
Er sah den Fisch fünfzehn Meter über sich gegen die dunkelrote Fläche anschwimmen, und er sah den Kombacter unter sich sinken, und er erinnerte sich daran, dass er einen Schutzanzug mit einem Exoskelett trug. Der Schutzanzug enthielt eine Sauerstoffpatrone, die ihm Atemluft für siebzig Stunden bescherte. Das Exoskelett hielt – nach Berechnungen der Konstrukteure von MOVEGONZ TECHNOLOGY – dem Wasserdruck bis in zwölfhundert Metern Tiefe stand.
Vogler drehte sich um und tauchte dem Kombacter hinterher. Kaum war er noch zu sehen vor dem Hintergrund der dunklen Meerestiefe, und er sank schnell. Vogler verstärkte seine Schwimmbewegungen.
Dunkler und dunkler wurde es; er ahnte den sinkenden Kombacter mehr, als dass er ihn sah. In seinen Ohren begann es zu summen, und er hatte das Gefühl, seine Augäpfel und sein Hirn dahinter würden anschwellen. Vogler war kein geübter Schwimmer, die Jagd auf das sinkende Gerät strengte ihn an. Als seine Faust sich endlich um den Griff des Kombacters schloss, war er so erschöpft, dass er kaum noch Kraft hatte, ihn festzuhalten.
Er verharrte reglos. Nur seine Brust hob und senkte sich rasch, sein Atem flog. Er spürte, dass er tiefer und tiefer sank. Unter sich schwarze Nacht, über sich graue Nacht, fragte er sich, woher er die Kraft nehmen sollte, zurück zur Wasseroberfläche zu tauchen. In seinen Ohren rauschte es, als würde er neben einem Wasserfall stehen. In seinen Schläfen stampfte der Herzschlag. Seine Augäpfel schmerzten, und ihm war, als wollte sein schwellendes Hirn sie ihm aus den Höhlen sprengen.
Er bäumte sich auf gegen die Ohnmacht, versuchte eine Schwimmbewegung nach oben – umsonst. Er sank.
Er sank unaufhörlich, immer tiefere Nacht umfing ihn.
Noch für mindestens sechzig Stunden Sauerstoff , dachte er.
Erst einmal ausruhen, zehn oder zwanzig Stunden lang Luft schöpfen, und dann sehen wir weiter , dachte er. Ja, das war gut so; ausruhen und Luft schöpfen und danach weitersehen.
Erschöpft schloss er die Augen und überließ sich dem Sinken – und dem Tod.
Dann pfiff etwas in seinem schwellenden, klopfenden Hirn, krächzte und sang.
Vogler riss die Augen auf. Faust!
Was er hörte, war das Lied seines Siebentöners Faust!
Es war, als würde der Rabenvogel aufgeregt in seinem Schädel herumflattern wie in einer Falle! Er fiepte und pfiff und krächzte in höchsten Tönen, so wie Siebentöner nur pfiffen und krächzten, wenn Fressfeinde sich näherten.
Vogler blickte nach oben. Himmel über dem Mars – wie unglaublich schwer konnte der eigene Schädel sein!
Er blickte hinauf in dunkelgraue Nacht. Irgendwo jenseits dieser Finsternis versuchte ein Mammutfisch seine Gefährten Matt Drax und Clarice Braxton zu verschlingen. Er breitete die Arme aus und versuchte zu rudern. Seine Glieder waren schwer wie Blei. Nein, zu anstrengend, es ging nicht, seine Arme gehorchten der Schwäche, nicht ihm. Er musste einen anderen Weg finden, um hinauf an die Wasseroberfläche zu gelangen…
***
Die Frauen und Kinder standen vor den Zelten und sahen ihm hinterher. Die Männer begleiteten ihn ein Stück zu Fuß und verabschiedeten ihn am Bachlauf hinter den Äckern. Dort blickten auch sie ihm hinterher.
Nach und nach verschwamm die Silhouette von Reiter und Kamel mit dem Wald.
»Wohin reitet Utna’pischti?«, fragte einer der Halbwüchsigen.
»Zum Strom«, antwortete die älteste Frau des Kamelreiters.
»Ganz allein?«
»Ganz allein und mit einem einzigen Kamel wollte er aufbrechen.« Die Frauen schüttelten den Kopf, die Halbwüchsigen und Kinder sahen einander verwundert an. Aber gut, so war er; so war Utna’pischti, der Lehrer, der Patriarch, der wunderliche Mann.
»Warum tut er das?«, fragte jemand. »Es ist doch gefährlich.«
»Ein Gott hat zu ihm gesprochen«, sagte Utna’pischtis älteste Frau. »Heute Nacht im Traum. Einer wie er muss aufbrechen, wenn göttliches
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